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Mageninhalts in die Speiseröhre bewirkt wird. Der eine hat diesem, der andere jenem Theil des
complicirten Magens der Wiederkäuer die Function zugeschrieben, aus dem Mageninhalt einzelne
Packete zu formiren und in den Oesophagus hineinzuschieben. Dass die Magenmuskulatur aber
nur schwacher Bewegungen fähig sei, wird gleichfalls angegeben. Nun ist von Flourens gefun
den dass eine Lähmung (jes Zwerchfells sowohl wie eine Lähmung der äusseren Bauchmuskeln
das'Wiederkauen bedeutend erschwert, selbst unmöglich macht.*) Und Lo nget hat gefunden,
dass beim Eintritt der Regurgitation die Thiere eine starke Inspiration machen, bei der eine Be
wegung an den Seiten des Bauchs bemerkbar ist, und dann eine kurze Exspiration eintritt mit
wieder einsetzender Inspiration; unmittelbar darauf bemerkt man schon die Bewegungen am Halse.
Dies zusammengehalten macht es in hohem Grade wahrscheinlich, dass hier derselbe Mechanis
mus die Speisen aus dem Magen in die Speiseröhre zurückführt, der beim Menschen beim
Erbrechen thätig ist.
Fassen wir noch einmal unsere Resultate zusammen, so besteht dieser Mechanismus in
einer inspiratorischen Abwärtsbewegung des Zwerchfells bei geschlossener Glottis, wobei zugleich
die äusseren Bauchmuskeln durch ihre Contraction den Gegendruck ausüben. Hierdurch haben
wir stark erhöhten Druck in der Bauchhöhle, stark verminderten Druck in der Brusthöhle: Druck
wirkung auf der einen, Saugwirkung auf der andern Seite. Dabei ist die Annahme einer Anti
peristaltik des Oesophagus vor der Hand für den Menschen und Fleischfresser ohne Berechtigung,
für den Wiederkäuer aber unumgänglich.
Es ergeben sich unmittelbar einige wichtige Folgerungen aus diesen Sätzen. Einmal ist
es jetzt einleuchtend, dass der Beweis, den Rühle gegen eine Contraction der Magenmuskulatur
beigebracht hat, nicht vollständig stichhaltig ist. Wenn bei der Ueberwindung des Cardiaver-
schlusses eine Ausgleichung der verschiedenen Druckhöhen in Brust und Magen stattfindet, so
muss natürlich das in die Magenwand eingesetzte Manometer Druckverminderung anzeigen, auch
wenn schwache Contractionen der Muscularis des Magens stattfinden. Rühle’s Experimente
beweisen vielmehr nur, dass die Ingesta nicht durch Contractionen des Magens nach oben beför
dert werden können, nicht aber die absolute Ruhe der Magenmuskulatur. Wir haben kein Recht
die Angabe zu bezweifeln, die von mehreren Physiologen gemacht ist, dass am Magen eigene
Contractionen während des Brechactes Vorkommen können. Budge und schon vor ihm Benjamin
Schwartz haben solche am Pylorustheile nach dem Fundus zugehend beobachtet. Diese
schwachen und von vielen Beobachtern nicht einmal erkannten Bewegungen werden nur den In
halt des Magens nach dem Fundus zu schieben und ausserdem den Pylorus gegen den Magen
zu abschliessen. Dass dieser Verschluss indess bei starken Brechbewegungen nicht genügt, be
weist uns die häufige Erscheinung- des Gallebrechens. Wir haben hierfür in unserem Mechanismus
die beste Erklärung und brauchen uns nicht nach andern gezwungeneren umzusehen. Es ist nicht
nothin- dafür eine Antiperistaltik des Darms anzunehmen, denn da der erhöhte Druck während des
Erbrechens auch im Darm vorhanden ist, so kann ein quantitativer Excess in der Differenz der
Spannkräfte auch einmal mit Ueberwindung des Pylorus- und Cardiaverschlusses Darminhalt in
der Speiseröhre aufsteigen lassen. Möglicherweise kommen daneben noch andere Umstände in
Betracht die mit der starken Aspiration zu demselben Effect concurriren. Es correspondiren
übrigens mit jenen am Pylörustheil beobachteten Contractionen andere, die Longet an dem un
tersten Ende der Speiseröhre bei Hunden, deren Magen stark mit Speisen angefüllt war, ausser
halb des Brechactes beobachtete, und die einen Rythmus mit den Inspirationen einhielten; auch
Schwartz beobachtete, wie oben erwähnt, von der Cardia gegen den Pylorus gerichtete Bewe
gungen. Diese werden den Zweck haben der Aspiration des Thorax, die bei stark gefülltem
Maxell sehr leicht wirksam werden muss, entgegenzuwirken.
l o
*) Vergl. Longel: Trait<§ de physiologie. pag. 132.
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