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bald früher bald später bemerkt der Patient in der Schenkelbeuge oder auf dem
Rücken eine weiche, fluctuirende, wenig oder gar nicht schmerzhafte Geschwulst, den
Senkungsabscess. Dieser tritt in der Regel erst im späteren Verlauf der Krank
heit auf, kann aber auch schon früh erscheinen, oder, wie wohl in der Mehrzahl der
Fälle, während der ganzen Krankheit fehlen.
Flat die Spondylitis ihren Sitz im Cervicaltheil der Wirbelsäule, so sind die
Symptome nur wenig von den bisher geschilderten verschieden. In der Regel werden
zuerst auch Schmerzen geklagt, deren Sitz Patient in den Nacken verlegt. Allmälig
macht sich eine grössere Schwere des Kopfes geltend, derselbe muss mit den Händen
gestützt werden, sonst droht er auf die Brust zu fallen. Das Kinn nähert sich immer
mehr der Brust und zugleich macht sich sehr oft eine Schiefstellung des Halses nach
der einen oder anderen Seite bemerkbar. Allmälig verkrümmt sich so der Hals und
kann anfangs nur mit Mühe und unter Schmerzen, später gar nicht mehr gerade ge
richtet werden, der Nacken fühlt sich in der Mehrzahl der Fälle hart an und ist
entzündlich infiltrirt. Bald treten nun auch die übrigen Symptome der Spondylitis
auf: neuralgische Schmerzen längs des nerv, occipitalis major und minor, in den
Ober- und Unter - Extremitäten und Lähmungen derselben. Senkungsabscesse bei
Spondylitis cervicalis, die in der Regel als Retropharyngealabscesse die hintere
Pharynxwand nach vorn drängen, oder nach aussen vom Kopfnicker oberhalb der
Clavicula, oder auch in der Axelhöhle zum Vorschein kommen können, sind in der
hiesigen Klinik bis jetzt nicht beobachtet worden.
Klagt ein Patient diese oder ähnliche Symptome, so ist es Pflicht des Arztes,
die Wirbelsäule des Patienten sorgfältig zu untersuchen, ob dieselbe ver
krümmt, schmerzhaft oder in ihrer Beweglichkeit behindert ist. Zu dem Zwecke lässt
man zunächst den Oberkörper des zu Untersuchenden entblössen. Zuerst mustern
die Augen die Wirbelsäule, dann gleitet der Finger mit sanftem Druck von oben
nach unten über die processus spinosi sämmtlicher Wirbel hinweg, ein V or springen,
eine Dislocation eines oder mehrerer Wirbel dürfte auf diese Weise kaum dem
Arzte entgehen. Sodann prüft man die Wirbelsäule auf ihre Beweglichkeit. Zu
dem Zwecke lässt man den Patienten vorwärts, rückwärts und zur Seite sich beugen
und sich genau angeben, ob diese Bewegungen erschwert oder schmerzhaft sind.
Um die Empfindlichkeit der Wirbelsäule zu prüfen, schlägt man am besten
folgendes Verfahren ein: Der Patient muss aufrecht stehen und nun führt man mit
der flachen Hand oder mit der Faust einen mässigen Schlag auf den Kopf desselben.
Liegt eine Wirbelentzündung vor, so wird in der Mehrzahl der Fälle der Schlag an
der kranken Stelle schmerzhaft empfunden. Sodann lässt man den Patienten einen
mässigen Sprung auf die Hacken ausführen, derselbe wird gleichfalls an der nämlichen
Stelle der Wirbelsäule Schmerz erregen. Um noch sicherer zu gehen, oder wenn das
bisherige Verfahren zu keinem Resultate geführt hat, kann man die Untersuchung