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chirurgischen Klinik zu Kiel mehrmals beobachtet wurde. Je früher das Uebel er
kannt wird, je zeitiger eine rationelle Therapie gegen dasselbe in Anwendung kommt,
um so sicherer und um so besser ist auch immer der Erfolg. Hat aber dasselbe schon
Jahre lang bestanden, sind namentlich schon Senkungsabscesse aufgetreten, dann wird
die Prognose recht getrübt, da besonders in der Heilung der letzteren die Therapie
bis jetzt noch wenig glücklich gewesen ist. So schwierig es nun auch selbst für den
geübtesten Diognostiker in einzelnen Fällen sein mag, eine Spondylitis noch in ihrem
Beginne zu erkennen, so ist es doch auch in vielen Fällen Schuld des Arztes, wenn
dieselbe unerkannt und unbehandelt bleibt.
Ein Patient kommt zum Arzt und klagt über Schmerzen im Kreuze.. Schon
vor einem halben Jahre, so meint er, müssen dieselben begonnen haben, aber An
fangs hat er nicht darauf geachtet, da sie nur von Zeit zu Zeit kamen und niemals
grosse Beschwerden verursachten. Vor einem viertel Jahre aber, als Patient einen
schweren Balken heben wollte, empfand er plötzlich einen heftigen Stich im Rücken,
er musste einige Tage die Arbeit aussetzen und sich zu Bett legen. Jetzt verschwand
der Schmerz, aber siehe da, während der Arbeit kehrt er immer wieder, bald heftiger,
bald milder, erstreckt sich auch auf den Leib und auf die Innenseite der Oberschenkel,
ja in letzter Zeit kommt er auch während der Nacht. Der Arzt unterlässt es,
genau zu untersuchen und verordnet eine Salbe zum Einreiben. Gewissenhaft schmiert
der Patient Tag für Tag einen, zwei, drei Monate lang, aber die „rheumatischen
Schmerzen“ werden immer ärger. Schon seit einiger Zeit kann sich Patient nicht mehr
recht gut bücken und jetzt fällt ihm auch das lange Stehen schwer, Erscheinungen
von denen er früher nichts wusste. Eine neue Salbe, ein Haarseil, oder vielleicht auch
einige Schröpfköpfe werden verordnet. Letztere schaffen vielleicht für den Augen
blick Erleichterung, aber bald kommt der Schmerz wieder und will Tag und Nacht
nicht wanken und weichen. Da nach weiteren drei Monaten wird plötzlich auf dem
Rücken des Patienten eine Hervorragung bemerkt und nun erkennt der Arzt das
Leiden, den Pottschen Buckel. Wird nun noch keine vernünftige Therapie durch
geführt, so schreitet der krankhafte Process unaufhaltsam weiter; ein Senkungsabscess
tritt auf, mit diesem schleppt sich der Patient noch eine Zeit lang hin, endlich bricht
der Abscess auf, der Patient fängt an zu fiebern und siech, elend, vielleicht noch ge
lähmt sucht er endlich in der chirurgischen Klinik Hülfe. Sehr oft noch deckt das
Krankenexamen einen solchen Hergang auf.
Wie nun lässt sich die Spondylitis noch in einem früheren Stadium erkennen,
in dem man durch eine zweckmässige Therapie des Ucbels noch Herr werden kann?
Je nach dem Alter des Patienten, je nachdem derselbe im Stande ist, sich selbst zu
beobachten und Rechenschaft von sich zu geben und dann auch nach dem Sitz des
Leidens, ob die pars cervicalis, oder dorsalis und lumbalis der Wirbelsäule befallen
ist, sind auch die Symptome etwas verschieden.