ben zuerst aufstehen, um ihn einmal versuchsweise durch das Zimmer auf und ab
gehen zu lassen. Doch sagt er, „schon die ersten Schritte belehrten mich, dass
das Uebel schlimmer statt besser geworden sei, da der Knabp die Balance nicht
halten konnte, die Füsse übereinandersetzte und taumelte. Lag der Knabe auf
dem Rücken im Bette, so konnten die Beine alle möglichen Bewegungen mit grosser
Behändigkeit und Kraft ausführen, aber sie waren nicht im Stande, den Körper in
aufrechter Stellung zu tragen.
Die Aerzte riethen bei der noch unklaren Diagnose dringend zur fortgesetz
ten absolut ruhigen Lage im Bette.
Ende Dezember 1871 wurde Herr Prof. Esmarch consultirt. Er war der
Ansicht, dass eine Erschütterung des Rückenmarkes, ähnlich der, wie sie bei Un
fällen auf der Eisenbahn vorkäme, stattgefunden habe; neben der stets fortzusetzen- ,
den Rückenlage könne man vielleicht spater zu kleinen Gaben von Strychnin oder
vorsichtiger Anwendung des Galvanismus schreiten. Herr Prof. Esmarch überzeugte
sich nicht allein von dem taumelnden und charakteristischen Gange des Knaben,
sondern auch, dass die Kraft desselben ganz erschöpft war, nachdem Patient ein
Paar Mal die Stube auf und abgegangen war, wobei der Vater den Knaben mit
beiden Armen umfangen musste um ihn vor dem Palle zu schützen. Auf Rath des
Herrn Prof. Esmarch wurde nun, einige Zeit hindurch 1 inet. nuc. vomic. gereicht,
scheinbar ohne Erfolg.
Am 20. Jan. 1872 sah Herr Prof. Esmarch den Knaben zum zweiten Mal
und fand, dass Patient beim Gehen noch taumelte wie ein Betrunkener und stets
die Beine gespreizt ansetzte. Doch konnte er schon besser balanciren. Auf
Wunsch des Herrn Prof. Esmarch wurde jetzt Kal. jodat. verordnet und die stete
Rückenlage, später mit Gestattung der Seitenlage, beibehalten. Diese Behandlung
wurde den ganzen Winter gewissenhaft fortgesetzt und zwar mit gutem Erfolge,
denn Herr Dr. G. fand im Frühjahr 1872 bei den von Zeit zu Zeit wiederholten
Gehversuchen zu seiner grossen Freude, dass der Knabe schon weit besser gehen
konnte. Patient hat dann noch bis zu Anfang Juni beständig gelegen; dann fing
er an täglich mehrmals t / 4 St. ausser Bett zu sein und Gehübungen zu machen.
Gegen Ende Juli konnte er mit den vorsichtigen Pausen schon einige Stunden lang
herumgehen ohne zu ermüden und, sagt Dr. G. in seinem Berichte, „jetzt (Ende
Sept. 1872) merkt man dem Knaben nichts mehr an.“
Verfasser Dieses besuchte auf Wunsch des Herrn Prof. Esmarch diesen Knaben
mehrmals und überzeugte sich, dass derselbe vollständig gesund ist, und nicht
die geringsten Spuren der Krankheit zurückgeblieben sind.
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II. Fall.
H. G., Landmann aus W. bei Kiel, 56 . Jahr alt, ein mittelgrosser,
kräftig gebauter Mann, passirte am 1. Jan. 1872 Abends in etwas angehei-