unserm Falle die völlige Genesung viel länger auf sich warten liess, schreiben wir
dem Umstande zu, dass Patient ohne einen Arzt zu consultiren gleich nach dem
Unfälle durch unvernünftigen Gebrauch seiner Bewegungskraft den Zustand des er
schütterten Markes wesentlich verschlimmert hat. Der Ausgang in vollständige
Wiederherstellung wird zu hoffen sein, wenn entweder die Erschütterung und ihre
primären Symptome nur mässig gewesen sind, oder wenn selbst bei heftiger Körper-
Erschütterung und ernsten Initialsymptomen von Anfang an eine rationelle Behand
lung stattgefunden hat. Doch hüte man sich auch in diesen Fällen vor einer allzu
günstigen Prognose, denn die Erfahrung hat gelehrt, dass (s. Prager Vierteljahrs
schrift B. 114, Physiologie und Pathologie des Nervensystems S. 86) „kein con-
stantes Verhältniss zwischen der Heftigkeit der unmittelbaren und der secundären
Folgen stattfindet. Es kann der Kranke unmittelbar nach der Verletzung collabirt
sein und die heftigsten Rückenschmerzen' haben und doch nach wenig Stunden oder
Tagen vollständig wiederhergestellt sein, und umgekehrt kann der Kranke anfäng
lich noch ruhig fortarbeiten und doch nach wenigen Wochen in einen hoffnungslosen
Zustand gerathen. Im Vergleiche zur Concussion des Gehirns hat die des Rücken
markes überhaupt schwächere direkte Folgen, aber heftigere sekundäre Erschei
nungen, weil auch geringe Functionsstörungen des Gehirns leichter sich bemerklich
machen und weil dasselbe andererseits leichter zur Ruhe gebracht werden kann als
/
das Rückenmark.“
2) Ausgang in unvollkommene Wiederherstellung, Auch hierfür-
bieten wir ein Beispiel in dem folgenden Falle No. 2. Die relative Genesung er
folgt meist erst nach Monaten oder Jahren. Bis dahin haben Motilität und Sensi
bilität des Patienten Störungen erlitten, die in der Regel nicht wieder rückgängig
werden, denn sie entsprechen einer allmälig erfolgten partiellen Vernichtung oder
Veränderung in der Structur des Rückenmarkes. Auch ist um diese Zeit des Still
standes der Erkrankung die Gesundheit des Betreffenden bereits so gebrochen, dass
er nie wieder seinen frühem Platz im Leben auszufüllen hoffen kann; häufig erfolgt
der Tod in wenigen Jahren.
3) Ausgang in anhaltende Krankheit resp. Tod. Für diese Form be- •
sitzen wir in unserm Falle No. 3 ein exquisites Beispiel. Dieser Fall ist überhaupt
für den Menschenfreund und Arzt gleich interessant. Ihn zu kennen genügt um zu
verstehen und nie wieder zu vergessen, wie wichtig es ist mit dem Krankheitsbilde
einer Commotio medullae spinalis vertraut zu sein, wichtig für ein segensreiches
ärztliches Wirken, wichtig vor Allem auch in forensischer Beziehung. So oft ist
der Mensch durch eine Rückenmarks-Erschütterung bedroht, beim Fallen, Ueber-
fahren-, Verschütt-Werden, bei Raufereien, auf dem Schlachtfelde und ganz beson
ders in unserer industriellen Zeit der Fabriken und Eisenbahnen. Jeder Stoss und
Schlag, welcher den so bedrohten Menschenleib trifft, kann der Anfang eines langen
und fürchterlichen Leidens werden, und an jeden Arzt kann die Pflicht herantreten,