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vieler Variationen, unter welchen es uns begegnen kann, doch überall in seiner
Eigenart wiedererkennen werden.
Zum Studium dieses Krankheitsbildes wollen wir zunächst einen von Dr. Maty
genau beschriebenen Fall skizziren, von welchem Erichsen sagt, dass er typisch sei
für die ganze Klasse von Rückgratsverletzungen, welche man mit dem Namen ,,Er
schütterungen “ bezeichnet.
Graf de Cordat, ein französischer Officier, wurde mit seinem Wagen umge
worfen und fiel einen hohen Abhang hinunter. Er erlitt keine Verletzung am Rück
grat, spürte im Augenblicke keine grosse Unbequemlichkeit und konnte zur nächsten
ziemlich fernen Stadt gehen. Nach mehreren Tagen setzte er die Reise zu seinem
Regimente fort und machte alle Unbequemlichkeiten des Feldzuges mit. Etwa sechs
Monate nach dem Unfälle zeigten sich Symptome von Lähmung am linken Arm,
der auch bald anfing zu atrophiren. Die Lähmung schritt langsam fort, dehnte sich
auch auf die andern Extremitäten aus. Die Sphinkteren blieben intact. Mit der
Lähmung verschlimmerte sich das Allgemeinbefinden ganz allmälig und nach vier
Jahren erfolgte der Tod durch Abnahme der Kräfte.
Charakteristisch an diesem interessanten Falle ist das Fehlen jeder Verletzung
am Rückgrat, die geringe Unebquemlichkeit unmittelbar nach dem Unfälle, das erst
nach Monaten erfolgende Auftreten von Lähmung, das sehr langsame Fortschreiten
derselben, die allmälige Verschlimmerung des Allgemeinbefindens, der Tod durch
Marasmus.
Gehen wir nun, zunächst anknüpfend an diesen Fall, etwas näher ein auf
die einzelnen Krankheitssymptome und deren Varianten bei der Commotio medullae
spinalis.
Das Fehlen jeder nachweisbaren groben Verletzung am Rückgrat ist
so zu sagen die conditio sine qua non für die Diagnose „Rückenmarks-Erschütte
rung.“ Wohlgemerkt sehen wir dabei ab von ganz unwesentlichen Verletzungen,
oberflächlichen Verwundungen, wie sie Haut und Weichtheile treffen können, ohne
die im Rückgratskanal verborgenen Organe im Geringsten zu behelligen. Sobald
wir aber im Stande sind, eine gröbere Laesion dieser Organe zu eruiren, hat die
Diagnose „Rückenmarks-Erschütterung“ jede Berechtigung verloren.
Die geringe Unbequemlichkeit unmittelbar nach dem Unfälle ist
eins der prägnantesten Symptome bei sehr vielen Fällen und für die Diagnose
„Rückenmarks-Erschütterung“ sehr zu verwerthen, denn der Umstand, dass ein
Mensch nach einer erlittenen Körpererschütterung Stunden und 'Page lang keine
besondere Unbequemlichkeiten verspürt, dass er im Stande ist, noch weite Strecken
zu gehen und noch lange Zeit seine mit geistiger und körperlicher Anstrengung
verbundenen Berufspflichten zu erfüllen, dieser Umstand ist ein schlagender beweis
für das Fehlen jeder gröberen Beschädigung des Rückenmarkes. Besonders aus
geprägt ist jenes Symptom in Fällen von heftiger Erschütterung des ganzen Kör-