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die Ursachen seines häufig schlimmen Endausgangs in denselben Verhältnissen, sowie
in der Misshandlung der Augen durch Quacksalber, in dem Mangel an Aerzten, —
es kommen ca. 15,000 Einwohner auf einen Arzt, — und in dem socialen Elend der
Bevölkerung. Im Tohmajarvi-District, dem hygienisch ungünstigsten, steigert sich das
Verhältniss der total Blinden zu den Sehenden bis 1 auf 165 !
in Norwegen Avird besonders Mangel an ärztlicher Hülfe angeklagt.
Aus dem Kaukasus wird Aehnliches gemeldet. Sogar in Tiflis gelangen
nur ca. 8°/o der Todesfälle zur ärztlichen Kenntniss. Dann aber haben dort die
meisten Blinden ihr Augenlicht verloren durch die Pockenkrankheit: — nur äusserst
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selten wird geimpft und kein Wunder, wenn die erschreckend häufige Krankheit auch
ungleich häufiger, als hier, einen verderblichen Ausgang nimmt.
Nun aber, sollen wir jene Länder mit Achselzucken bemitleiden und uns
brüsten, auf der Höhe der Cultur zu stehen? Gottlob liegt solche Gesinnung dem
deutschen Arzte fern genug; er weiss wohl und ist stolz darauf, dass in unserm
Vaterlande bisher mit grossem Erfolg so viele Erblindungsursachen bekämpft wurden,
mehr aber ringt er nach dem Ziele, die Zahl der blinden Mitmenschen auf das kleinste,
nothwendige Mass herabzusetzen. Jetzt gilt es in erster Linie, Anhaltspunkte zu ge
winnen, worauf fussend wir das feindliche. Terrain zu überschauen und mit geeigneter
Wehr zu überwachen im Stande sind. Sichere Anhaltspunkte für die Prophylaxis
sind aber nur guf dem Wege der aetiologischen Forschung zu erreichen. Die allge
meine Blindenstatistik hat den Hauptzweck, eine Grundlage zu werden für
M assregeln zur Versorgung der Erblindeten, — und dies ist nicht zunächst
eine Aufgabe der Aerzte. Im Anschluss an dieselbe erwächst uns jedoch die wichtige
Aufgabe, eine aetio 1 agische Statistik aufzustellen, als Grundlage für Massregeln
zur Bekämpfung der E rbl i n d ung s u r s ac h e n.
Schwierig ist diese Aufgabe, — aber recht befriedigende und hinreichende
Resultate lassen sich erreichen, wenn, wie bereits angefähgen ist, auf einem doppelten
Wege vorangeschritten wird. Das Ueb er si chtsm ate ria 1 ist zu sammeln in direc-
tem Anschluss an die Ergebnisse der Volkszählungen, und da gibt es wohl keinen
im Principe geeigneteren Weg, als der von Prof. Zehender eingesohlagen wurde.
Prof. Zehender schickte, entsprechend der Zahl der Blinden nachder Volkszählung von
1867, 558 Fragezettel, ausser anderen Verhältnissen der Blinden auch die Erblindungs
ursachen betreffend, an die Prediger Mecklenburgs mit der Bitte, dieselben, womöglich
im Verein mit den Aerzten ihrer Gemeinden, auszufüllen. Ein feineres Material
für unsere Statistik liefern fachgemässe Untersuchungen einer grösseren Surntnc von
Einzelfällen oder Auszüge der Journale von Augenkliniken, wenn sie sich über eine
längere Reihe von Jahren erstrecken. Soviel mir bekannt, liegt nur ein solcher