16
u_L
Beinen halten konnte, und im Zimmer umherzuirren. Anfangs suchte er sich Nachts
in das Bett seiner Nachbarn einzuquartiren, später verliess er das Zimmer, irrte auf
dem Corridor umher und drang in andere Zimmer ein, konnte dann aber, wenn ihm
das verwiesen wurde, nicht wieder zurecht finden. Mit der Zeit nahmen diese Wahn
vorstellungen eher zu als ab: und, auch schon vor seiner Aufnahme in das Kranken
haus hatten sich hie und da bei ihm Symptome von Geisteszerrüttung geäussert, schon
in seinem letzten Logis hatte er in den letzten 4 Wochen, in denen sich sem Allge
meinbefinden überhaupt so sehr verschlimmerte, ein ähnliches Benehmen gezeigt.
Der wichtigste Punkt, den der Krankheitsverlauf unseres Falles darbietet, ist
aber das Verhalten der Körpertemperatur, in dem freilich noch manches dunkel ei^
scheint. Weder für die anfängliche, excessive Abkühlung, noch für das terminale, sein-
hohe Fieber, waren genügende örtliche Ursachen nachzuweisen. Doch sehen wir uns
zunächst nach Anhaltspunkten in den im Anfänge mitgetheilten Fällen von subnor
maler Temperatur um. Die. 3 Fälle des Dr. Weiland betreffen Personen, die längere
Zeit bei ziemlich kalter Lufttemperatur in betrunkenem Zustande im Freien gelegen
hatten; sie bieten zum Vergleich mit unserm Falle keine Anhaltspunkte. Freilich
hatte unser Patient auch fast l 1 /* Tage nach reichlichem Alkoholgenuss auf einem
nicht geheizten Zimmer zugebracht, aber das allein genügt nicht, diese abnorme Ab
kühlung zu erklären, da er doch die ganze Zeit im Bett gelegen hat. — Der Niedens,che
Fall, der eine Temperatursenkung nach Verletzung des obern Theils des Rückenmarks
betrifft, kann ebenfalls nicht zum Vergleich herangezogen werden.
Am meisten zählt unser Fall zu denen, die Loewenhardt uns mittheilt, wenn
er auch in einzelnen Punkten w-ieder von ihnen ab weicht. Mit ihnen hat er gemeinsam,
dass sie auch Personen betrafen, die ebenfalls alle geistesgestört waren- Dieser Um
stand scheint auf eine, functioneile Störung des der Wärmeregulirung vorstehenden
nervösen Centrums hinzudeuten. Auch Loewenhardt glaubt als Ursachen für die niedern
Temperaturen seiner Fälle neben äusseren Schädlichkeiten noch Veränderungen im
Gehirn annehmen zu müssen, die möglicherweise das Centrum für die \\ ärmeregulb
rung mitbefallen hätten. Er sagt hierüber (Zeitschrift für Psychiatrie XXV, 5 und 6,
S. 724 und 725): „Es fragt sich nun, ob die äusseren Schädlichkeiten auf so herunter
gekommene, marastische Patienten einwirkend, an sich allein genügten, die ungewöhn
lichen Temperatursenkungen hervorzurufen, und die Körperwärme andauernd so niedrig
zu erhalten. So wenig ich dies verneinen kann, so scheint mir doch dagegen zu
sprechen, dass ich dieselben schädlichen Einflüsse bei andern unruhigen , ebenfalls
schon, erschöpften Kranken ohne solche Wirkung beobachtet habe, und zwar ist dies
viel häufiger der Fall. Das Gehirn (und Medull.) ist sicher in den oben erzählten
Fällen als erkrankt, und eine Gehirnerkrankung ist als Ursache der andauernden lob
sucht, Unruhe, Schlaflosigkeit, später der paretischen und Krampferscheinungen anzu-
nehrnen. Möglich, dass ein Theil des Gehirns während der Krankheit in Mitleidenschaft