Ilocliaiiselinliche Versammlung!
1)
ie Universität hat heute ihren Feierschmuck angethan und begeht mit ihren Gönnern
und Freunden das einzige Fest ihres Jahres. Während wir sonst in stiller Arbeit,
abgeschlossen in den Räumen, die zur Lehre und Forschung bestimmt sind, unsere
Tage leben, gebietet uns heute Sitte und innerster Drang, die Einladung an die
Freunde des Vaterlandes hinauszusenden, zu uns zu kommen und mit uns Gott für
das Leben und Wirken unsers Königs und Herren Dank und Lob zu bringen. Stark
un d milde, fest entschlossen und bedächtig, fromm, freundlich und rastlos thätig steht
(J es Kaisers und Königs erlauchte Gestalt vor seinen Preussen, seinen Deutschen —
ein ehrwürdiger Held, der noch in fernen Jahrhunderten, ähnlich Karl dem Grossen
und Friedrich dem Rothbart, des Volkes Herzen und Vorstellung bewegen wird.
Ungeahnte Erfolge, für die er Gott allein die Ehre gab, hat sein Schwert
erfochten. Aber der König lehnt sich jetzt nicht ruhend über den Schild. Er lässt,
an dem Hause des States, des Reiches bauen; Grundlagen, die nicht mehr sicher sind,
werden durch festere ersetzt; Ordnungen, welche den inneren Frieden gefährden, werden
geändert; in Recht, Wehr und Wandel wird die Einheit der vielen Theile des mäch
tigen Körpers erstrebt. Die Pflicht gibt der Ruhe keinen Raum, und sie gebietet
auch den alten Kampf der deutschen Könige aufzunehmen, den Grenzkrieg zwischen
Stat und Kirche.
Arbeit rührt sich auf allen Feldern. Handel, Gewerbe, Volkswirtschaft ent
wickeln sich mächtig, die Kunst erblüht, die Wissenschaft schreitet vorwärts. Ein
Drang nach neuen Formen für das neue Leben treibt durch die Adern der ganzen
Gesellschaft Während die politischen und kirchlichen Fragen in den Höhen stürmen,
arbeitet unter unsern Füssen die sociale Revolution. Niemals noch sind nach einem
grossen Kriege alle Kräfte des Volkes und States so erregt gewesen, wie in unsern
Tagen. Wir empfinden alle, dass unser Volk in einen neuen Abschnitt seiner auf
strebenden Geschichte trat, — die Geister schäften an dem Webstuhl der Zeit.