Full text: (Band XIX.)

dessen Theilbarkeit, wie Trousseau sagt, in’s Unendliche geht. Auch ist nicht allein 
die Uebertragbarkeit von Masern durch das Blut von Masernkranken, worin man 
ebensowenig specifische Stoffe gefunden hat, erwiesen, sondern es sind selbst durch 
Reiter 13 ) in München nach einem neuerdings gemachten Versuche durch das Blut 
eines vor 8 Tagen geimpften Kindes echte Vaccinepusteln erzeugt worden. Wenn 
derartige Experimente mit dem Blute von Blatternkranken nach Niemeyer noch nicht 
gelungen sind, so ist dagegen einzuwenden, dass die Versuche sehr vereinzelt sein 
müssen, weil mir die sorgfältige Durchsuchung der Literatur bis in die 20ger Jahre 
zurück, so weit umfassende medicinische Jahresberichte vorliegen, nichts diese Frage 
Betreffendes ergab und dass hier einzelne Versuche nicht hinreichen, da man bloss 
auf die von überaus zahlreichen, gediegenen Forschern angestellten Fehlversuche 
Variola auf Kühe zu übertragen, was schliesslich doch gelungen ist, hinzuweisen 
braucht, um die Schwierigkeiten solcher Untersuchungen zu begreifen. Die bei ana 
logen Krankheiten gewonnenen Resultate lassen sogar mit grösster Wahrscheinlichkeit 
auf ein gleiches für Variola schliessen. Ueberdiess sind von Gusserow 14 ) experimen 
telle Untersuchungen, betreffend den Uebergang von medicamentösen Stoffen in den 
Kreislauf des Fötus, mit positivem Erfolge angestellt worden. Nach längerem Jod 
kaliumgebrauch der Schwangeren kurz vor der Geburt gaben Harn und theilweise 
auch das Fruchtwasser des Neugeborenen dieselbe Jodreaction, wie der Harn der 
Mutter. Diese Daten mögen genügen, um zu zeigen, dass man auch abgesehen von 
dem fehlenden Nachweis eines anderen Infectionsmodus, berechtigt ist, die Blutbahn 
als die Poststrasse anzusehen, auf der Stoffe aus dem mütterlichen Organismus in 
den Fötus übergen. 
Demgemäss finden wir auch in der Literatur 15 ) Fälle aufgezeichnet, wo die 
Früchte theils mit Blatternnarben, theils mit Blatternexanthem in den verschiedensten 
Stadien geboren sind, ohne dass die der Ansteckung ausgesetzten Mütter selbst an 
der Krankheit gelitten haben. — Wie es mit der Empfänglichkeit des Fötus steht, 
darüber lassen sich keine bestimmten Angaben machen. Ist man auch einerseits ver 
sucht, nach der grossen Empfänglichkeit des Neugeborenen Rückschlüsse auf den 
Fötus zu machen, so giebt’s andrerseits wieder zu viele Fälle, wo die Früchte trotz 
Durchseuchung der Mütter während der Schwangerschaft, scheinbar ganz gesund ge 
boren werden. Der Zeitabstand kann nicht massgebend sein, wo ein solcher Wechsel 
in dem ganzen vegetativen Leben des Kindes eingetreten ist. An die Intensität der 
Wirkung des Blatterngiftes lässt sich schon eher in Bezug auf ihre Folgen ein Mass 
stab anlegen, denn es steht fest, dass die schwereren Formen der mütterlichen Krank- 
• 
,3 ) Bair. Intell.-Bltt. 1S72 No. 15. 
'*) „Zur Lehre vom Stoffwechsel des Fötus.“ (Separatabdruck aus dem Arch, für Gynä 
kologie. Bd. III. Heft 2. Leipzig 1871.) 
15 ) Burserius. 1. c. pag. 155 et seq.
	        
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