dass das eine der srsten Attaque erliegt, während ein anderes womöglich aus der
schwersten Epidemie völlig intact hervorgeht. Vergeblich hat man diese Thatsache
durch die althergebrachten Anschauungen zu erklären gesucht, die Erfahrung wider
legte alle darauf bezüglichen Annahmen aufs schlagendste, sie lehrte vielmehr, dass
die Empfänglichkeit des Organismus für den schädlichen Stoff bei den verschiedenen
Individuen graduell höchst verschieden ist. So gab es vor Einführung der Vaccina
tion einige wenige, die trotz der heftigsten Epidemien ihr ganzes Leben lang von
Variola verschont blieben, während Andere mehrere Male davon befallen worden, wie
der historisch berühmte Fall von Ludwig XV uns lehrt, der trotz einer in seiner
Kindheit überstandenen leichteren Blatternkrankheit in seinem 74. Jahre an einer
schweren Form starb.
Eine andere durchaus zuverlässige Beobachtung 9 ) von einem schottischen Arzte
Thompson betrifft eine Dame, die in ihrer Jugend die Blattern durchgemacht hatte.
Diese liess ihre Kinder jedesmal, während sie dieselben noch stillte, mit Blatterngift
inoculiren und jedesmal musste sie einen leichten Blatternanfall mit ihnen durchmachen.
Einer gütigen, persönlichen Mittheilung des Herrn Professor Litzmann zufolge
ist er selbst als Vorstand der hiesigen geburtshilflichen Klinik zwei Mal an einem
leichten Blatternanfall, dem recht heftige Prodramalerscheinungen vorangingen, erkrankt.
Höchst bemerkenswert!! ist die Thatsache, dass ein gradueller Unterschied in
der Disposition der verschiedenen Menschenrapen besteht 10 ): „Nach dem überein
stimmenden Urtheile vieler Beobachter nemlich leidet die farbige Rape und vor Allem
die Negerrape, caeteris paribus, bei dem Vorherrschen der Blattern sowohl extensiv,
wie intensiv in einem weit höheren Grade von denselben, als der weisse Theil der
Bevölkerung.“ Die für das Blatterngift empfänglichste Menschenfamilie, sagt Pruner
(l. c. 129), ist die der Neger.
Auf eine Accumulation der für die Krankheit empfänglichen Individuen ist
auch ohne Zweifel die Wiederkehr von Blatternepidemien und ihr mehr oder weniger
cyklisches Auftreten zurückzuführen. Sieht man die Epidemien in Deutschland seit
der gesetzmässig eingeführten Vaccination an, so springt es sofort in die Augen, dass
sie sowohl an Extensität, als besonders auch an Intensität den früheren weit nach
stehen. Nur die letzte, eben durlebte inacht hiervon eine traurige Ausnahme. Und
worin mag dies wohl begründet sein? Ich glaube, dass, ohne zu Hypothesen sich zu
versteigen, die Erklärung hierfür in der Thatsache zu suchen ist, dass von den nicht-
vaccinirten Franzosen uns ein Contagium importirt wurde, welches vermöge der ihm
innewohnenden, ungebrochenen Kraft einzig und allein im Stande war, eine solche
1870.
s ) Kussmaul. 20 Briefe über Menschen- und Kuhpockeniinpfung. pag. 41. Freiburg i. Br.
,0 ) Hirsch. 1. c. pag. 222.