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Die Brusthöhle wurde viermal auf operativem Wege eröffnet, 2mal behufs Anlegung
einer Toraxfistel, 2mal bloss punktirt, um im Thraxraum angesammelte Flüssigkeit zu entleeren.
Im ersten Falle hatte sich im Verlaufe einer Diphtheritis des Kehlkopfs und der Bronchien ein
eitriges Exsudat in der rechten Pleurahöhle angesammelt, zu dem, wie die physikalische Unter
suchung ergab, Luft in den Pleurasack eingedrungen war (Pyopneumothorax). Auffallend war die
sofort nach Anlegung der Fistel eintretende Zersetzung des Pleuraeiters. Kur durch Anwendung
eines von dem ersten Assistenzärzte Herrn Dr. Westphalen sehr sinnreich construirten Spiilapperates,
welcher es möglich machte, beliebig viele Stunden lang einen continuirlichen Strom warmen
Wassers durch die Brusthöhle zu leiten, ohne dass der Kranke dadurch im geringsten belästigt
wurde, war es möglich, den unerträglichen Gestank des faulenden Eiters zu bewältigen. Der
Kranke ging trotzdem an acuter Miliartuberculose zu Grunde. — Der zweite Fall betraf einen
überaus robusten Mann, bei dem ein Leberabscess das Zwerchfell durchbohrt und der Eiter sich
in den rechten Pleurasack ergossen und dann durch einen Bronchus Bahn gebrochen hatte. Durch
die im fünften Intercostalraura angelegte Brustfistel entleerte sich mehrere Wochen lang die Ge-
sammtheit des Lebersekrets. Während fast ein Pfund Galle täglich durch die Fistel abfloss, blieben
die Stühle des Kranken vollständig farblos und trat kein Icterus ein. Der Kranke genas. Herr
Dr. Westphalen hat diesen merkwürdigen Krankheitsfall im deutschen Archiv für klinische Medicin
ausführlich beschrieben und wissentschaftlich beleuchtet. — Bei einem dritten Kranken war schon
vor der Punction der rechten Brusthöhle die Diagnose auf Echinococcus hepatis mit Verdrängung
des Zwerchfells nach oben (bis zur zweiten Rippe) gestellt. Der Erfolg der Operation rechtfertigte
nicht allein die Diagnose, sondern war auch in sofern ein überraschend und unverhofft günstiger,
als es sich in diesem Falle um eine einfächerige Echinococcuscyste handelte und es dadurch möglich
wurde, durch die dünne Canüle des eingestossenen Probetroicarts 2500 C. C. der Flüssigkeit aus
dem Sack zu entleeren. Die Flüssigkeit war wasserklar, hatte ein specifisches Gewicht von 1004
enthielt kein Eiweiss, dagegen eine grosse Menge von bernsteinsaurem Natron und von Leucin.
Haken von den Köpfchen der Scoleces konnten in der Flüssigkeit jedoch nicht aufgefunden werden.
Auf die Operation folgte fast gar keine Reaction. Der Kranke verliess nach einiger Zeit das
Hospital. Der Umfang der vorher enorm ausgedehnten rechten Brusthälfte hatte sehr beträchtlich
abgenommen. Wie ich nachträglich erfahre, fühlt sich der Mann jetzt vollkommen gesund. Es hat
sich also keine Flüssigkeit wieder angesammelt und der Rest wird vermuthlich resorbirt sein. —
Der vierte Fall endlich betraf ein einfach seröses Exsudat der rechten Pleura bei einem jungen
Arzte. Die Masse des Exsudates drohete Erstickung und machte die Entleerung durch den Troikart
nothwendig. Erst nach vielen Monaten ist der Rest des Exsudates durch Resorption geschwunden.
Endlich wurde noch in einem fünften Fall der Brustraum, nicht aber der Brustfellsack
geöffnet wegen einer Eiteransammlung zwischen Rippen und Rippenfell. Um dem Eiter ungehin
derten Abfluss zu verschaffen, musste ein Stück der fünften Rippe von 4 V* Ctm. Länge resecirt
werden. Der Fall endete tödtlich und wird mit den übrigen vorgekommenen Fällen von Peripleuritis
ausführlich beschrieben werden.
Von den vorgekoinmenen Vergiftungsfällen ist schon oben des einen durch Unvorsichtig
keit entstandenen und unter qualvollen Leiden tödtlich verlaufenen gedacht. — Die beiden anderen
waren von den betreffenden Individuen in selbstmörderischer Absicht unternommen und insofern
bemerkenswerth, als in beiden Fällen die Selbstmörder unmittelbar nach der That, von Reue be
fallen, sich um Hülfe bemühten und als es den Herren Assistenzärzten der medicinischen Klinik,
welche zur Hülfe gerufen wurden, gelang, die Hauptmasse des verschluckten Giftes durch die