Full text: (Band XVII.)

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unschätzbarem Werthe; doch gerade diese geistige Nahrung darf der kleine Sangui 
niker wegen seiner ohnehin sehr regen Phantasie nur in geringerem Masse erhalten. 
Das Betrachten von Bildern aber erscheint mir mehr als ein Gegenstand 
unterrichtlicher Thätigkeit und muss mit dem zum flüchtigen Anschauen geneigten 
sanguinischen Kinde vorsichtig betrieben werden. 
So kommen wir zu einer Frage, welche für die ganze Erziehung von der 
höchsten Wichtigkeit ist, nämlich ob, und in welcher Weise der Schule durch häus 
liche Unterweisung vorgearbeitet werden soll. Einer meiner Herren Collegen, 
A. Böhme, durch seine Rechenbücher in weiten Kreisen bekannt, sagt in seiner 
Anleitung zum Gebrauche der Lesefibel für den vereinigten Sprech-, Zeichen-, Schreib 
und Lese-Unterricht auf Grund einer mehr als dreissigjährigen Erfahrung (S. 18): 
,,Das ist das Kreuz des ersten Unterrichts, dass viele Kinder so wenig entwickelt zur 
Schule kommen.“ Dann giebt er in einem sehr beherzigenswerthen „Wort an die 
Mütter“ diesen den entschiedenen Rath, den positiven Unterricht im Lesen, Schreiben 
und Rechnen der Schule zu überlassen, wohl aber durch gewisse Uebungen denselben 
vorzubereiten. \ 
Zunächst soll die Mutter das Kind anleiten, seine Aufmerksamkeit auf einen 
bestimmten Gegenstand zu heften, damit es sehen und betrachten lerne. Diese An 
schauungsübung muss zugleich Denk- und Sprechübung sein, durch welche das 
Denk- und Sprach vermögen entwickelt, und auch das Ohr des Kindes an ein genaues 
Hören gewöhnt wird. Um den Ausdruck des Kindes zu bilden, sind besondere kleine 
Gedichte z. B. aus Rudolph Löwenstein’s Kindergarten und Merget’s geistlichen Ge 
dichten für Kinder in rechter Betonung vorzusprechen und, soweit sie behaltenswerth 
sind, sicher einzuüben. Dem Rechenunterrichte kann leicht vorgearbeitet werden, 
wenn die Knaben an Soldaten und Bausteinen, die Mädchen an Puppen und Teiler 
chen bis zehn zählen und durch Anschauung in diesem Kreise sich orientiren lernen. 
Ferner lässt sich der Sinn für Ordnung, Ebenmass und Schönheit dem Zöglinge 
durch Beschäftigung mit Baukästchen, durch Legen von Stäbchen und Papierstreifen 
und Ausschneiden von Figuren beibringen. 
Solche Arbeiten üben das Kind zugleich in der Aufmerksamkeit, Ausdauer 
und Geduld und sind darum auch ganz besonders für die Erziehung sanguinischer 
Naturen geeignet. Da endlich die ScRule sogleich eine gewüsse Handfertigkeit ver 
langt, so empfiehlt es sich, dem Kinde möglichst früh Schiefertafel und Griffel zu 
geben und dasselbe durch ganz einfache Vorzeichnungen zum Nachmalen anzuleiten. 
Was nun die Zeit dieser Uebungen anbelangt, so ertheilt Böhme den Rath, dieselben 
anfangs nur gelegentlich, z. B. wenn das schlechte Wetter Bewegung im Freien nicht 
zulässt, vorzunehmen; doch mit dem Herannahen der ernsteren Schulzeit, ihrer 
militärischen Pünktlichkeit und grösseren Stundenzahl soll die Mutter auch in der 
Vorbereitungszeit eine bestimmte Tageszeit und Unterrichtslänge innehalten.
	        
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