Unterhaltung kleiner Kinder. Dr. A. Beyer sagt in einem Schulprogramm von
1843: ,,Das Spiel ist dein Kinde, wie schon Aristoteles nach dein pythagoreischen
Weltweisen und Staatsmann Archytas sehr richtig bemerkt hat, das, was dem Manne
Kunst und Wissenschaft ist. Spiel, Kunst und Wissenschaft sind bestimmt, jenes das
Kind, dieses den Jüngling und Mann der höchsten Vollendung und Reife der geisti
gen Kraft von der untersten Stufe der Thätigkeit bis zum Gipfel menschlicher Er-
kenntniss und Fertigkeit entgegenzuführen. Namentlich hat man immer die Gewöhn
lichen Kinderbeschäftigungen, die Mittel und Gegenstände derselben, die Spiele und
die Spielsachen, in gänzlicher Verkennung ihrer tiefen Bedeutung und Wichtigkeit,
für viel zu gering geachtet, als dass ein erwachsener, vernünftiger Mensch sich zum
Mitspielen oder zur Leitung derselben herablassen dürfte, ohne sich dem Verdachte
oder Vorwurfe kindischen Sinnes und fader Geistlosigkeit preiszugeben.“
In ähnlicher Weise hebt Carl Bor mann die Bedeutung des Spiels der Kinder
hervor, wenn er in einem seiner Vorträge sagt: „Der Knabe reitet das Steckenpferd
und redet mit demselben; das Mädchen kleidet die Puppe und hält eine Standrede
über sie. Die Kinderspiele sind unter Aufsicht und Leitung eines verständigen
Kinderfreundes die eigentlichen Professoren der Kindheit, die lebendigen Kinderaka
demien.“ In diesem Ausspruch liegt schon ein Hinweis darauf, dass auch das Spiel
nicht ausserhalb der Zucht stehen dürfe. Das Bestreben, die Kinder beim Spiele
absichtlich zu belehren, ist verderblich; denn dieselben sollen schon frühzeitig an
die Unterscheidung von Spiel und ernster Thätigkeit gewöhnt werden. Anfänglich
fällt allerdings Spiel und Arbeit beim Kinde zusammen; aber der Unterschied dieser
beiden Thätigkeiten ist ihm nach Massgabe seiner physischen und geistigen Ent
wickelung allmählich klar zu machen. Gefährlich ist es, wenn ein Kind alles als
Spiel-betrachtet, und dieser Gefahr ist gerade das sanguinische leicht ausgesetzt
welches nur mit Mühe zur Arbeit, d. h zu anstrengender und ausdauernder Thätig
keit angeleitet werden kann.
Daher kommt es auch wohl, dass eine pädagogische Erscheinung der Neuzeit
der Fröbelsche Kindergarten mit seiner Spiel und Arbeit verknüpfenden Beschäfti
gung von Theoretikern im Prineip und von practischen Schulmännern infolge der
positiven Erfahrungen bekämpft wird, welche sie an den im Kindergarten vorgebilde
ten und zur Tändelei hinneigenden Zöglingen gemacht haben. Einem sanguinischen
Kinde darf eine zerstreuende Umgebung und halb spielende, halb ernste Beschäftigung
entschieden nicht geboten werden.
Unter den Gesichtspunkt des Spiels hat man nun auch das Erzählen von
Märchen und Sagen, sowie das Betrachten von Bilderbüchern gebracht. Die Bedeu
tung der Märchen ist vielfach falsch gewürdigt worden, selbst von Kant, der die
kindliche Phantasie wohl gezügelt, nicht aber angespornt wissen will. Sie sind, wie
wir bei Behandlung der anderen Temperamente sehen werden, für die Jugend von
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