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gewissen Regelmässigkeit auftretenden Erscheinungen ins Auge zu fassen, um das
Gleichförmige der eigentümlichen Art möglichst früh zu erkennen.
Ein erfahrener Pädagoge hat jungen Eltern das Anlegen eines kleinen Buches
empfohlen, in welchem sie alle Eigentümlichkeiten ihres Kindes, wie sich dieselben
im Laufe der ersten Jahre zeigen, vermerken sollen. Anf diese Weise entsteht eine
lehrreiche und interessante Geschichte der Entwickelung desselben, durch welche
das Auge der Eltern für die Beobachtung der Eigentümlichkeiten der Kindesnatur
geschärft, ihr Interesse mehr und mehr geweckt und Verständniss für richtige päda
gogische Behandlung gewonnen wird.
Ein sanguinisches Kind wird sich durch grosse Erregbarkeit und innere sowie
äussere Beweglichkeit bald kenntlich machen, und bei ihm wird die allgemeine Regel,
dass starke Eindrücke und schneller Wechsel kleinen Kindern schaden, ganz beson
ders zu beachten sein. Die völlig verkehrte und jetzt auch immer mehr ausser Ge
brauch kommende Methode des Wickelns, durch welches der freie Gebrauch der
Gliedmassen gehindert wird, muss dem kleinen Sanguiniker doppelt lästig sein und
ihn im Gefühle seiner Ohnmacht gegen die fesselnden Banden zu vielem Weinen
und Schreien veranlassen. Den kleinen Zögling frühzeitig im Gebrauche seiner Glie
der zu üben, ist unbedingt nöthig. Wenn mit dem zweiten und dritten Jahre seine
erste Hilflosigkeit auf hört, so tritt auch mehr Ruhe und Frohsinn ein, und gerade in
diesem Alter bereiten die Kinder durch ihr „drolliges“ Wesen den Eltern die meiste
Freude; doch soll Niemand ein Kind als Spielzeug seiner Laune betrachten. Wenn
ferner im allgemeinen es als wünschenswerth erscheint, dass die erste Kindheit wo
möglich nur von der Mutter überwacht und geleitet werde, so gilt diese Vorschrift
namentlich für die Erziehung sanguinischer Wesen, die infolge ihrer starken Recepti-
vität und Beweglichkeit zu allseitiger Thätigkeit und somit zur Zerstreuung hinneigen
und an der Gleichförmigkeit im Betragen der erziehenden Persönlichkeit eine feste
Stütze haben müssen. Da aber nicht jeder Mutter stete Beschäftigung mit dem
Kinde möglich ist, so muss dasselbe entweder sich selbst, oder fremden Händen
überlassen werden. Kleine Kinder dürfen aber nicht längere Zeit ohne Aufsicht
bleiben, und auch der Umgang mit den beaufsichtigenden Personen, namentlich mit
den Dienstboten, muss in seinen Folgen gerade bei sanguinischen Kindern streng
überwacht werden, weil diese alles, was sie sehen und hören, mithin auch das Böse
gern auf- und annehmen. Hier wird gar leicht Geringes, das man nicht beachtet,
im Laufe der Zeit die Wiege des Grossen.
Einer der wichtigsten, auch beim sanguinischen Kinde stark hervortretenden
Triebe ist der Thätigkeitstrieb, und eine Hauptaufgabe für die ganze Erziehung ist
nun die, jedem Alter die entsprechende Beschäftigung zu gewähren. Nach Kant
(Pädag. S. 401) ist diese eine doppelte, einmal Beschäftigung in der Müsse oder
Spiel, und Arbeit oder Beschäftigung im Zwange. Das Spiel ist die naturgemässe