Full text: (Band XVII.)

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gewissen Regelmässigkeit auftretenden Erscheinungen ins Auge zu fassen, um das 
Gleichförmige der eigentümlichen Art möglichst früh zu erkennen. 
Ein erfahrener Pädagoge hat jungen Eltern das Anlegen eines kleinen Buches 
empfohlen, in welchem sie alle Eigentümlichkeiten ihres Kindes, wie sich dieselben 
im Laufe der ersten Jahre zeigen, vermerken sollen. Anf diese Weise entsteht eine 
lehrreiche und interessante Geschichte der Entwickelung desselben, durch welche 
das Auge der Eltern für die Beobachtung der Eigentümlichkeiten der Kindesnatur 
geschärft, ihr Interesse mehr und mehr geweckt und Verständniss für richtige päda 
gogische Behandlung gewonnen wird. 
Ein sanguinisches Kind wird sich durch grosse Erregbarkeit und innere sowie 
äussere Beweglichkeit bald kenntlich machen, und bei ihm wird die allgemeine Regel, 
dass starke Eindrücke und schneller Wechsel kleinen Kindern schaden, ganz beson 
ders zu beachten sein. Die völlig verkehrte und jetzt auch immer mehr ausser Ge 
brauch kommende Methode des Wickelns, durch welches der freie Gebrauch der 
Gliedmassen gehindert wird, muss dem kleinen Sanguiniker doppelt lästig sein und 
ihn im Gefühle seiner Ohnmacht gegen die fesselnden Banden zu vielem Weinen 
und Schreien veranlassen. Den kleinen Zögling frühzeitig im Gebrauche seiner Glie 
der zu üben, ist unbedingt nöthig. Wenn mit dem zweiten und dritten Jahre seine 
erste Hilflosigkeit auf hört, so tritt auch mehr Ruhe und Frohsinn ein, und gerade in 
diesem Alter bereiten die Kinder durch ihr „drolliges“ Wesen den Eltern die meiste 
Freude; doch soll Niemand ein Kind als Spielzeug seiner Laune betrachten. Wenn 
ferner im allgemeinen es als wünschenswerth erscheint, dass die erste Kindheit wo 
möglich nur von der Mutter überwacht und geleitet werde, so gilt diese Vorschrift 
namentlich für die Erziehung sanguinischer Wesen, die infolge ihrer starken Recepti- 
vität und Beweglichkeit zu allseitiger Thätigkeit und somit zur Zerstreuung hinneigen 
und an der Gleichförmigkeit im Betragen der erziehenden Persönlichkeit eine feste 
Stütze haben müssen. Da aber nicht jeder Mutter stete Beschäftigung mit dem 
Kinde möglich ist, so muss dasselbe entweder sich selbst, oder fremden Händen 
überlassen werden. Kleine Kinder dürfen aber nicht längere Zeit ohne Aufsicht 
bleiben, und auch der Umgang mit den beaufsichtigenden Personen, namentlich mit 
den Dienstboten, muss in seinen Folgen gerade bei sanguinischen Kindern streng 
überwacht werden, weil diese alles, was sie sehen und hören, mithin auch das Böse 
gern auf- und annehmen. Hier wird gar leicht Geringes, das man nicht beachtet, 
im Laufe der Zeit die Wiege des Grossen. 
Einer der wichtigsten, auch beim sanguinischen Kinde stark hervortretenden 
Triebe ist der Thätigkeitstrieb, und eine Hauptaufgabe für die ganze Erziehung ist 
nun die, jedem Alter die entsprechende Beschäftigung zu gewähren. Nach Kant 
(Pädag. S. 401) ist diese eine doppelte, einmal Beschäftigung in der Müsse oder 
Spiel, und Arbeit oder Beschäftigung im Zwange. Das Spiel ist die naturgemässe
	        
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