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zu sprechen, denn solches konnte den Vorwurf, dass für den Reichsdienst kein Eifer
vorhanden sei, und gelegentlich auch wol eine Anklage nach sich ziehen. Wagten
aber die Fürsten Widerspruch, so war es in der Regel, wie bei andern Dingen: der
König wurde heftig und deeretirte seinen Willen, dem sich die Fürsten fügen muss
ten. — Alsdann bestimmte der König, welche Streitkräfte aufzubieten seien, wobei er
aber durch bestimmte Lehnsverhältnisse, auch Rechte und Verpflichtungen einzelner
Provinzen beschränkt war. Befreiungen traten zuweilen aus Gunst, häufiger wol aus
Rücksicht auf die wirthschaftliche Unterhaltung ein. Durch einen Befehl des Königs,
dessen Strenge nicht selten hervorgehoben wird, wurde schliesslich den Aufgebotenen,
mindestens sechs Wochen vorher, Tag und Ort der Zusammenkunft des Heeres, nicht
immer das Ziel des Zuges, angesagt. Versäumung des Heerdienstes zog harte Stra
fen nach sich: Entziehung des Lehns, Verbannung, oder, wenn Milderungsgründe
vorhanden, Geldbussen. Der Bischof von Lüttich ist einst wesentlich dieserhalb, ob-
wol er sonst am Hofe ein sehr angesehener Mann war, zur Zahlung von 300 Pfund
Silber verurtheilt.
Die grossen Hoftage wurden in Bischofsstädten, königlichen Abteien oder
Pfalzen, stets aber wechselnd in den verschiedenen Theilen des Reiches abgehalten.
Erforderlich war solches, in einer Zeit, wo Geld kaum eine Macht war, — trotz der
zahlreichen Domainen und obwol die bedeuteren Fürsten oft Güter in allen Theilen des
Reiches hatten, — schon durch die Schwierigkeit der Verpflegung einer so ansehnli
chen Versammlung: für das Reich aber war es auch von unberechenbarer Wichtig-
tigkeit, dass dadurch dem Könige die Möglichkeit gegeben wurde, eine regelmässige
Verbindung mit all seinen Fürsten, und zwar gerade für die Handhabung seiner
höchsten administrativen und jurisdictionellen Befugnisse in allen Gegenden des Reiches
zu unterhalten. Mehr als durch irgend welche Ereignisse, etwa politischer Natur,
wird hierdurch die Einheit des Reiches hergestellt und bewahrt sein.
Demselben Zweck dienten jedoch auch die beständigen Reisen unserer Könige
innerhalb ihres weiten Staatsgebiets, wenn freilich auch sie zunächst in dem wirt
schaftlichen Zustand damaliger Zeit begründet waren. Unermüdlich zog der König,
selten auch nur Wochen an einem Ort bleibend, von Bisthum zu Bisthum, von Stadt
zu Stadt, von Pfalz zu Pfalz. Uns mag eine solche Weise unvollkommen genug er
scheinen: bei näherer Betrachtung aber ist leicht wahrzunehmen, dass dieses rastlose
Umherziehen für das Königthum eine Lebensfrage war. Hierdurch erst war die Mög
lichkeit gegeben, eine unmittelbare Verbindung mit Land und Leuten, und damit die
Grundlage aufrecht zu erhalten, durch welche sich die starke Staatsgewalt des König
thums fast zwei Jahrhunderte lang, zum Heil und Segen unsers Vaterlandes, allen
Angriffen zum Trotz, für das ganze Reich behaupten konnte.
Den Fürsten waren von dem Könige nur einzelne Rechte und Befugnisse für
beschränktere Bezirke verliehen: er selbst aber wachte, dass ich so sage, über das
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