Full text: (Band XV.)

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Von jeher ist es anerkannt worden, dass wenige Organe auf die Nervencentra 
einen so wesentlichen u. durchgreifenden Einfluss ausüben, als gerade der uterus. 
Grosse physiologische Vorgänge gehen aber gerade während der gravidität u. gewiss 
nicht ohne Betheiligung des ganzen Nervensystems im mütterlichen Organismus vor 
sich, die Irritabilität ist erhöht, die Thätigkeit des Gefässsystem’s vergrössert, es treten 
Störungen des Kreislaufs ein u. örtliche Congestionen zu den Genitalien. Die erste 
Gravidität u. zwar in der ersten Hälfte scheint noch besonders zu disponiren, nach 
dem nicht selten schon in der Jugend die Krankheit vorhanden war. 
Joh. Storch: Von einem Mädchen, welches die Krankheit im 10. Jahre über- 
standen, habe auch angemerket, dass sie selbige im verheiratheten Stande u. zwar im 
ersten Schwangergehen zum 2. Male bekommen. 
John Lever beobachtete 5mal primäres Auftreten in der Gravidität. 
Peter Frank sah bei einer 15 J. früher von ihm mit Erfolg am Veitstanz 
behandelten Jüdin, nach ihrer Verheirathung im Beginne der Gravidität ein heftiges 
Recidiv, wovon ihm in seiner 50jährigen Praxis kein ähnliches Beispiel vorgekommen war. 
Tag u. Nacht hielten die Convulsionen an, wobei die Pat, des Geistes mächtig, aber 
wüthend und tobsüchtig war. Furunkeln mit nachfolgenden Brandschorfen bedeckten 
den ganzen Körper. Alle Mittel blieben erfolglos; im 5. Monat erfolgte Abortus u* 
mit ihm Heilung. 
In einem von Ingleby mitgetheilten Falle hatte auch das Sprengen der Eihäute 
u. die Geburt eines todten Kindes keinen Erfolg; 6 Menschen reichten kaum hin, das 
Hinausschleudern aus dem Bette zu verhindern; der Tod erfolgte nach 24 Stunden 
3. Chorea symptomatica. 
Auch organische Erkrankungen, mögen sie die Wirbelsäule, mögen sie die 
med. spin., obl. und das cerebrum atque cerebellum betreffen, können den Veitstanz 
als Symptom hervorrufen, für sich allein oder mehr weniger complicirt mit anderen 
Leiden, Schmerz, psychischen Störungen etc. Unverkennbar jedoch geht Stiebei zu 
weit, wenn er seine Chorea rhachitica (im Gegensätze zur ursprünglichen Tanzplag 0 ) 
immer auf eine Anschwellung und schmerzhafte Emlindlichkeit des siebenten Hals* 
Wirbels zurückführt. Niemals, so behauptet er, habe diese gefehlt, bei dem Drucke 
mit dem Finger habe er sie bemerkt oder durch den in warmen Wasser getauchten 
Schwamm wahrgenornmen. Ob die Zuckungen durch gelinden Druck auf die Nerven- 
ursprünge und daher entstandene Reizung oder durch einen entzündlichen Zustand 
dieser selbst hervorgebracht wurden, konnte er nicht ausmitteln. Dass aber gerade 
der siebente Wirbel die Bewegungen hervorbringe, das schreibt er der abweichenden 
eigentümlichen Bauart dieses Wirbels zu, die ihm eine stärkere Entwicklung nach 
innen erlaube. So sehr diese Ansicht Stiebeis unrichtig ist, so steht doch andererseits
	        
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