Da nach Aussage des .Patienten mehrere seiner Anverwandten an demselben
Uebel leiden sollten, so begab ich mich, da der Fall mein Interesse sehr lebhaft in
Anspruch nahm, nach dem Aufenthaltsort seiner Eltern, um eine genauere Unter
suchung dort vorzunehmen.
Die Mutter erzählte xpir, dass ihr Grossvater, H. Wendorf, an demselben Augen
fehler gelitten habe. Auch er hatte von Jugend auf an einer hochgradigen Kurzsichtigkeit
gelitten, das Blaue im Auge schlotterte ebenso wie bei ihr und bei ihrem Sohne.
Er starb in einem Alter von 60 Jahren und hat bis an seinen Tod ebenso gut sehen
können, wie in seiner Jugend. Von seinen Kindern litt keins an Kurzsichtigkeit,
aber von seinen Enkelinnen — den Kindern einer seiner Töchter — waren Frau
Braasch und deren jüngste Schwester Johanne Ohrt,' jetzt 39 Jahre alt, mit diesem
Uebel behaftet. Auch leidet eine Nichte der Frau Braasch — eine Tochter ihrer
ältesten Schwester, an diesem Fehler des Auges. An allen fünf Individuen ist es
von der frühesten Jugend an bemerkt worden, namentlich erregte das Schlottern der
Iris, welches die Frau Braasch schon einige Tage nach der Geburt ihres Sohnes an
seinem Auge beobachtete, und der hohe Grad von Kurzsichtigkeit ihre Aufmerksamkeit
Bei allen wird mit dem linken Auge am schlechtesten gesehen und an diesem Auge
ist das Irisschlottern noch stärker als an dem rechten Auge. Da sowohl die Schwester
als die Nichte sehr weit von hier sich aufhalten, so musste ich meine Untersuchung
auf die des Knaben und die der Mutter beschränken. Zu erwähnen ist noch, dass
sowohl die Frau B. wie ihr Sohn kräftig und intelligent sind und im Uebrigen keine
Abnormitäten des Körpers zeigen.
Die Untersuchung des Sohnes ergab Folgendes:
Der Patient hat keinen Schmerz in den Augen und will nie daran gelitten
haben; auch an Ciliarneurose hat er nie gelitten. Bei der Betrachtung der äusseren
Theile der Augen wurde nichts Abnormes gefunden. Die bulbi hatten keinen bathy-
morphischen Bau, traten nicht, wie sonst fast immer bei hochgradiger Myopie, abnorm
weit aus den Augenhöhlen hervor. Auch waren sie in ihren Bewegungen in keiner
Weise beschränkt. Liess ich den Knaben grade aus sehen; schien strabismus con-
vergens zu bestehen. Verdeckte ich aber das linke Auge mit der Hand, so wich es
beim Fixiren eines vor den Augen gehaltenen Fingers sofort nach aussen ab. Beim
Lesen wird das linke Auge vom Sehacte ausgeschlossen. Es besteht also ein stra
bismus divergens. Gesichtsfeldbeschränkung lag nicht vor.
Die Untersuchung der vorderen Kammer ergab, dass die' blaugefärbte Iris des
rechten Auges in ihrem oberen und äusseren Segment über die Norm nach vorn
gewölbt war; nach unten und innen dagegen etwas nach hinten gerichtet, so dass die
Kammer in ihrem obereren äusseren Theil an Tiefe verloren, in ihrem innern
unteren Abschnitte dagegen an Tiefe zugenommen hatte. Hier war auch ein Schlottern
der Iris deutlich zu constatiren. Die Pupille reagirt'e gut gegen Licht. Bei nicht