111.
t'Iissbildungen der Extremitäten, welche aus einem angebornen Knochendefect her
vorgehen, sind nicht so ganz selten, und finden sich demgemäss auch zahlreiche An
gaben darüber in den Werken, welche diesen Gegenstand behandeln. Leider aber
sind, vorzüglich in der älteren Literatur, nur wenige genau beschriebene Fälle, aus
denen man mit Bestimmtheit die anatomischen Verhältnisse entnehmen könnte, mit-
getheilt, so dass die immer wünschenswerthen Vergleiche ähnlicher Fälle weniger aus.
giebig und nutzbringend ausfallen. Für den vorliegenden Fall, der eine angeborne
Missbildung an der untern Extremität darstellt, entbehren wir eine genaue anatomische
Beschreibung derartiger Missbildungen an den untern Extremitäten, um so mehr als
der zu beschreibende Fall, soweit uns bekannt ist, in seiner Art einzig dastehen dürfte.
8 handelt sich nämlich im Folgenden um einen tibia-defect bei einem 12jährigen
Knaben, der ausser jener Missbildung an der unteren Extremität, an der linken Hand
die Spuren fötaler Einschnürung und Fehlen der dritten Phalanx des vierten Fingers
zeigte.
Am 8. Juli 1867 wurde der zwölfjährige Knabe Gottlieb W. aus E. in die
chirurgische Klinik zu Kiel aufgenommen. Die Anamnese ergab wenig mehr, als
dass der Knabe mit der zu beschreibenden Missbildung am linken Bein und an der
Bnken Hand zur Welt gekommen sei. Darüber, ob in der Familie anderweitig Miss
bildungen vorgekommen, wurde nichts festgestellt. Die Mutter wollte natürlich, wie
das in derartigen Fällen fast immer angegeben wird, sich während der Schwanger
schaft versehen haben, indem sie sich vor einem amputirten, mit Stelzfuss gehen-
en Invaliden erschreckt habe. Der Knabe war nun in das Hospital gekommen, um
° n Unterschenkel, der ihm durchaus keine Stütze gewährte, im Gegentheil während
es Gehens ihn durch seine unwillkürlichen Bewegungen sehr genirte, amputiren
Zu lassen.
Theile
Status praesens. Die vorgenommene äussere Untersuchung der missbildeten
ergab folgendes Resultat. Ungefähr auf der Mitte des Oberschenkels, der sich