Full text: (Band XV.)

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Aber wer war denn Schleiermacher selbst? Welche Legitimation hat er für 
seinen Reformationsberuf und durch welche Kämpfe ist er auf denselben vorbereitet 
'worden, ähnlich den wohlbekannten Kämpfen Luthers? Es ist eine solche Vor 
bereitung und es sind solche Kämpfe vorhanden, noch bis in die Zeit der beginnenden 
Reformationswirksamkeit Schleiermachers hinein, wenn auch bei ihm gemäss' der 
Eigentümlichkeit seines Reformationsberufs in wesentlich anderer Weise als bei 
Luther, indem er nicht sowohl gleich diesem die protestantische Freiheit erst zu 
begründen, sondern vielmehr dieselbe richtig weiter zu fördern und zu leiten 
bestimmt war. 
In eben jener seiner ersten Rede über die Religion erklärt Schleiermacher 
selber über sich: „Frömmigkeit war der mütterliche Leib, in dessen heiligem Dunkel 
mein junges Leben genährt und auf die ihm noch verschlossene Welt vorbereitet 
Wurde; in ihr athmete mein Geist, ehe er noch sein eigentümliches Gebiet in 
Wissenschaft und Lebenserfahrung gefunden hatte; sie half mir, als ich antiim den 
väterlichen Glauben zu sichten und Gedanken und Gefühle zu reinigen von dem 
Schutte der Vorwelt; sie blieb mir, als auch der Gott und die Unsterblichkeit der 
kindlichen Zeit dem zweifelnden Auge verschwanden; sie leitete mich absichtslos 
m das tätige Leben; sie zeigte mir, wie ich mich selbst mit meinen Vorzügen und 
Mängeln in meinem ungeteilten Daseyn heilig halten solle und nur durch sie habe 
ich Freundschaft und Liebe gelernt.“ 
Seiner eben so ernst und herzlich frommen, als verständigen und besonnenen 
Mutter, die er schon in seinem fünfzehnten Lebensjahr 1783 durch den Tod verlor, 
dankt Schleiermacher, zu Breslau am 21. November 1768 geboren, nach seiner 1794 
abgefassten Selbstbiographie die erste Bildung seines sittlichen und religiösen Charakters 
besonders, namentlich auch wegen der öfteren Abwesenheit seines Vaters, eines 
i’eformirten preussischen Feldpredigers. Im Todesjahr der Mutter war Schleiermacher 
aber mit seinen beiden Geschwistern aus dieser ersten Ehe seines Vaters, einem 
Bruder und einer Schwester, der herrnhutischen Brüdergemeinde von seinen Eltern 
anvertraut worden, so dass er seine weitere Ausbildung nun zunächst in dem Päda 
gogium oder Gymnasium der Brüdergemeinde zu Niesky in Schlesien von seinem 
15. bis 17. Jahr, 1783 bis 1785 und darnach, mit der Bestimmung zum geistlichen 
Beruf, in dem mehr den Universitätsstudien verwandten Seminar derselben zu Barby 
hn Sächsischen von seinem Al. bis zu seinem 19. Jahr, 1785 bis 1787, erhielt. 
Die herrnhutische Brüdergemeinde, in welcher ihr Begründer, Graf Zinzendorf, 
die vom Pietismus Philipp Jacob Speners erforderte Privaterbauung, mit entschiedenem 
Wesentlichem Unionsverhältniss der verschiedenen evangelischen Confessionen innerhalb 
derselben, in der Art eines für sich bestehenden Gemeindewesens, eines in höherem, 
protestantischem Stil gestalteten Klosterwesens gleichsam, organisirt hat, charakterisirt 
sich nach der Eigenthümlichkeit ihrer Frömmigkeit besonders durch die Richtung 
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