5
Theolog und Prediger, für möglichst eindringliche Darlegung der biblischen und
christlichen Offenbarung in ihrer sittlich-religiös-idealen Wahrheit verwendet, endlich,
neben und gegenüber christlich-ernsten, dem Kantianismus verwandten Moralpredigern,
w ie Zollikofer, Marezoll, Karl Ludwig Nitzsch und Anderen, Franz Volkmar Reinhard
hife evangelisch-kirchliche Offenbarungslehre, als das vollkommene Vehikel sittlich-
religiösen Sinns und Wandels, mit aufrichtiger Gläubigkeit und strenger formal-logischer
Klarheit nach den Mustern der antiken Beredsamkeit predigt. Sollen denn, wird man
fragen, diesen Allen und vielen Anderen mit ihnen ihre wohlverdienten Ruhmeskränze
von ihren Häuptern hinweggenommen werden, um dieselben einem Einzigen zu Füssen
zu legen, der dieses nicht für sich beansprucht?
Solch ein thörichtes Unternehnien kommt uns freilich nicht in den Sinn, so
"enig wie wir z. B. daran denken können, neben den Reformatoren des sechzehnten
Jahrhunderts den Humanisten derselben und der vorhergehenden Zeit ihre Verdienste
um Wissenschaft, Bildung und Christenthum zu bestreiten und aus der Zahl derselben
etwa dem Johann Reuchlin das Recht abzusprechen, mit welchem auch sein Standbild
jenes Lutherdenkmal zu Worms zieren hilft.
Was die Schleiermacher gleichzeitigen und unmittelbar vorhergehenden Heroen
und verdienten Männer auszeichnet und ihnen grossentheils sogar sehr wesentliche
Vorzüge vor ihm verleiht, darf ihnen nicht verkümmert werden, auch nicht die
hochbedeutsamen religiösen und christlich-religiösen Elemente, welche bei jedem von
ihnen in eigenthümlicher Weise, bewusst oder mehr unbewusst, vorhanden sind.
Eins aber wird doch wohl in Betreff der ganzen Zeit, in welcher Schleiermacher
zuerst auftrat und aller ihrer genannten, unter einander so sehr verschiedenen Repräsen
tanten mehr oder weniger noch vermisst werden dürfen. Es ist dieses nemlich die
klar und bestimmt erfasste Einsicht und die entschieden geltend gemachte und
durchgeführte Behauptung der Religion und insbesondere des Christenthums, als
eines mit centraler Bedeutung in geistig freier Weise alles Menschliche zu durchdringen
Und zu einigen wesentlich befähigten Princips.
Kant waren dagegen die religiösen Ueberzeugungen, von Gott und der Un
sterblichkeit namentlich, nur problematische Hülfsvorstellungen der Sittlichkeit; Gott
un Gebet, im Privatgebet insbesondere, persönlich anzureden, schien ihm vom Wahn
sinn nicht weit entfernt zu'seyn; die kirchliche Gemeinschaft galt ihm nur als ein
Rir die sittlich Schwachen vorläufig erforderliches Erziehungsinstitut von zweifelhaftem
Werth. Fichte fasst in dieser seiner früheren Zeit Gott nur unter dem Gesichtspunkt
einer für die Möglichkeit des sittlichen Handelns in abstracter Weise vorauszusetzenden
wirksamen sittlichen Weltordnung ins Auge. Jacobi weiss das sinnlich bedingte
Wissen und die von ihm behauptete religiöse Gefühlserfahrung, seinen unmittelbaren
religiösen Vernunftglauben, nicht wahrhaft zu innerer, wesentlicher Einheit zusammen
zulassen, wie auch den letzteren mit den geschichtlich gegebenen Religionen und