Full text: (Band XV.)

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Rathschluss mit dem königlichen Ehrenamt betraut sind, als Hüter der Sterblichen 
auf Erden zu walten; in Nebel gehüllt fliegen sie überall ^hin, Segen spendend, über 
Recht und Frevel, auch über die Sprüche der Könige wachend, drei Myriaden an 
der Zahl. 
Er kennt also nur gute Dämonen, welche dem durch eigene Schwäche und die 
verderbliche Gabe der Pandora herabgekommenen Menschengeschlecht in seinem Jam 
mer und Elend beistehen. Aber der nachdenkliche Phokylides e^us Milet, wo die ionische 
Philosophie bereits in Blüthe stand, ist nicht der erste gewesen, der zwischen wohl- 
und übelwollenden Dämonen unterschied; schwerlich hat auch sein Zeitgenosse, 
der durch politische Umwälzungen verbitterte Theognis von Megara, zuerst über ihre 
* Launen geklagt, dass so Vielen wider Verdienst ein trefflicher Dämon zur Seite stehe, 
der thörichtes Beginnen zum Guten lenke, anderen dagegen mit trefflichem Rathschluss 
Begabten ein nichtsnutziger Dämon alle Mühe vereitele. Um das zu finden bedurfte 
es weder des besonderen Einflusses orientalischer Lehre, noch der Weisheit griechischer 
Philosophen, soviel auch diese seit Thaies und Pythagoras mit jenen geheimnissvollen 
Wesen sich beschäftigten. 
Der Tragödie, zumal des Aeschylos, war die Vorstellung von einem finsteren 
Geist, der durch uralte Schuld geweckt und durch immer neue genährt einzelne Häuser 
bis zur Vernichtung heimsucht, geläufig. Eines freundlichen Familiendämon gedenkt 
Niemand deutlich, soviele sich dessen unbewussterfreuen mochten. Aber schon früher 
sprach es der tiefsinnige Herakleitos aus, dass des Menschen Charakter sein persön 
licher I^ämon sei. Damit verwandt, aber etwas mystischerer Natur war das Dämonion 
des Sokrates, das ihn, wie er rühmte, seit seiner Kindheit mit unfehlbarer Sicherheit 
von falschen Wegen abmahnte. Und in der That hat in keinem Griechen die Stimme 
des sittlichen Gefühls, welches auch die Wege zur wahren Zufriedenheit lenkt, so ver 
nehmlich das ganze Leben hindurch gesprochen. Seit ihm ist in der Philosophie diese 
ethische Auffassung des Dämon hervorgetreten, wie denn auch Platon die Vernunft, 
insofern sie ein Ausfluss der göttlichen Vernunft sei, als den wahren Schutzgeist des 
Menschen erkannte, den zu pflegen, dem zu gehorchen Jeder sich schuldig sei. Aber 
der populäre Glaube, je mehr das Vertrauen zu den Olympiern, durch schwere Schicksals- 
srhläge erschüttert, welche über das Vaterland nicht ohne eigene Schuld der Bürger 
hereingebrochen vielen Einzelnen ihren Wohlstand zertrümmert hatten, zu frösteln be 
gann, je mehr ihm die väterliche Obhut des Zeus und das Walten der Dike, einst von 
den Dichtern so ergreifend besungen, hinter den Wolken verschwand und der sitt 
liche Halt des Charakters gebrochen war, desto näher zog er jene unmittelbar ein 
greifenden Zwischenwesen an sich heran und mochte am liebsten in der mehr oder 
weniger phantastisch ausgeführten Vorstellung Beruhigung finden, dass jedem einzelnen 
Menschen von seiner Geburt an bis zum Tode ein besonderer Dämon als leitender 
Mystagog durch das Leben zugeloost sei.
	        
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