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Die mit so grossem Lärm in Scene gesetzte Unternehmung gegen Schweden
war schon im Sommer als völlig gescheitert zu betrachten. Dahingegen flogen die
Fahnen Frankreichs von Triumph zu Triumph. Am 29. August hatte Philippsburg
capitulirt; Frankenthal ward blokirt; Worms ergab sich. Am 7. September konnte
Enghien bereits in Mainz seinen Einzug halten. So rückte die Gefahr dem Depu
tationstage selbst in die nächste Nähe. Die allgemeine Flucht vom Rheine her wuchs
täglich. Die bairischen Archive wurden von Heidelberg nach Frankfurt gebracht.
Auch die Herzogin von Lothringen und der Kurfürst von Mainz begaben sich dorthin.
Diese grossen Gefahren führten nun einen Umschlag in der Stimmung des De
putationsconventes herbei. Es waren grade die vornehmsten katholischen Fürsten, die
am schwersten von diesen Kriegsunfällen zu leiden hatten. Der Bischof von Würz
burg, der, wie viele seiner katholischen Mitstände, durchaus nicht einem völligen Auf
geben der Libertät zu Gunsten des Katholicismus, wie ein solches ihnen von Baiern 53 )
angemuthet ward, geneigt, am wenigsten aber der auch wieder grade von Baiern mit
aller Eifersucht einer neu erworbenen Würde verfochtenen Präeminenz der Kurfürsten
zu weichen gemeint war — er hatte schon das Jahr zuvor dem brandenburgischen
Gesandten im Vertrauen eröffnet, dass zwischen den katholischen Ständen einerseits
und dem Kaiser und Baiern auf der andern Seite, doch so manche Differenzen be
stünden, dass es das rathsamste schiene, Baiern durch Entgegenkommen in der
pfälzischen Sache von der spanischen Politik zu trennen; ja dass man w r ohl geneigt
wäre, nicht nur die Amnestie bis zum Jahre 18 hinaufzurücken, sondern selbst unter
Umständen auf das reservatum ecclesiasticum zu verzichten. 54 ) Damals freilich hatte
Baiern mit der landläufigen Redensart gemeint, lieber den Krieg noch hundert Jahre
führen, als von diesem Rechte abstehen zu wollen.
Jetzt kam man auf diese Pläne einer reichsständischen, auf Selbsthülfe be
ruhenden Politik zurück. Diese Pläne liefen denn auf nichts weniger hinaus, als auf
einen Frieden, den das Reich über den Kaiser hinweg selbständig mit dem Ausland
schliessen sollte, da ja denn einmal „Ihre Kaiserliche Majestät und dero Haus Oester
reich die Particularinteressen von Spanien nit zu separiren noch sich hierbei mit ein
zulassen entschlossen.“ 55 ) Ein angesehener Reichsstand, vielleicht Bamberg, sollte die
Kronen in Betreff dieser Pläne sondiren, dann möchte Baiern mit Frankreich und
Brandenburg oder lieber noch Kursachsen mit Schweden weiter darüber verhandeln.
Die deutsche Fürstenfreiheit sollte somit unter französischen und schwedischen Schutz
gestellt werden. Diese Pläne — sie enthalten die Keime des künftigen Rheinbundes
und der hildesheimischen Alliance — fanden zumeist Beifall bei den Ständen des
53 ) Schreiber, Maximilian I, p. 806.
54 ) Urk. u. Act. I. 82 7.
56 ) Urk. u. Act. I. 862. cfr. 813. 82 7. 860.