5
Geschlechter höher geachtet als die neuen Kapellen und Kirchen, wenn sich diese
nicht auf altheiligen Stätten erhoben. Das Volk muste erst durch die königlichen
strengen Verordnungen daran erinnert werden, dass auch die kristlichen Bethäuser
höheren Frieden hätten und mindestens dieselbe Ehre, wie vormals die heidnischen
Tempel. 1 ) Am schärfsten zeigt sich uns der Kampf in Sachsen; hier hielt Karl d. Gr.
für nötig, Todesstrafe auf Verletzung des Kirchenfriedens zu setzen. 2 ) Im altfriesi
schen Volksrecht steht neunfaches Wergeid und neunfache Friedensbrüche darauf. 3 )
Weniger hohe Bussen wurden verhängt, wo nicht mehr heidnische Widerspenstigkeit
und der Trotz gegen die fränkischen Eroberer, sondern nur der widerrechtliche Wille
zu strafen war. Die Reihe dieser Satzungen beginnt in dem alemannischen Recht (IV.)
und zieht sich durch die Gesetzgebung des Mittelalters, durch die Landfrieden, Rechts
spiegel, Stadtrechte und Küren einförmig hindurch. Ueberall hält man es noch für
nötig, an die Heiligkeit der gottesdienstlichen Gebäude und ihrer nächsten Umgebung
durch doppelte, drei- oder vielfache Strafgelder zu inanen.
Dieser Kirchenfriede lag auch auf denen, welche zu dem Gottesdienste giengen;
ich halte nicht für unmöglich, dass ebenso die Wanderer zu den heidnischen Heilig-
thümern unter höherem Frieden stunden. Die lex Saxonum (XXIII) verhängt Todes
strafe über den, welcher die an den hohen Festen zur Kirche gehenden angreift und
tötet-, noch die Westerlawer und Rüstringer Küren und ein westfälisches Weisthum
sprechen den Frieden über den Kirchweg von und zu dem Hofe zurück. 4 ) Und auch
der dietmarsische Sonnabendfriede mag, obschon man sich an den allgemeinen Gottes
frieden erinnern wird, wesentlich zum Schutze derer aufgerichtet sein, die aus den
Marschen zu der alten Landeskirche in Meldorp giengen. 5 )
Der besondere Friede schliesst sich hieran, welcher in Nord- und Süddeutsch
land noch im ausgehenden Mittelalter den Braut- und Leichenzügen gegeben war.
Ein alemannisches Weisthum schützt die Begleiter von Braut oder Leiche, ein nieder
sächsisches sezt den dodengank kummerfry. 6 ) Mit doppelter Busse schirmt das diet
marscher Landrecht von 1539 (Art. 225) die Theilnemer eines Begräbnisses, während
die einer Hochzeit zwar nur einfache, aber durch 30 Mark Brüche verschärfte gemessen.
2. So wie auf den heiligen Stätten und denen, welche zu ihnen giengen, lag
auf dem in Waffen stehnden Volke ein höherer Friede. Ich glaube denselben aus
') Capitul. de partib. Ssixoniae 1. Primurn de majoribus capitulis hoc placuit omnibus, ut
ecclesiae Christi, quo modo constrquntur in Saxonia et Deo sacratac sunt, non minomn habeant
honorem sed majorem et excellentiorem quam fima habuisscnt idolorum.
2 ) capitul. de part. Saxon. 3. lex Saxon. XXL
’) 1. Fris. XVII, 2.
4 ) v. Richthofen Fries. Rechtsquellen 389. 511. Grimm Weist. 3, 30.
s ) Dietmarscher Landrecht von 1447. § 87, bei Mich eisen Saml. altdithmarsch. Recbtsquellon S. 32.
B ) Grimm Weist. 1, 416. 4, 660.