Full text: (Band XII.)

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seinen Weinberg andern Arbeitern verdingen, welche die Frucht der Gerechtigkeit ver 
kaufen werden zur Zeit der Erndte. Ihr Machthaber, bereitet eure Mienen zum Be- 
kenntniss und Unterwürfigkeit und stimmt an den Psalter der Reue. Aber ihr, die 
ihr als Unterdrückte jammert, erhebt euren Muth, denn nahe ist euch das Heil. Er 
wacht alle und geht Eurem Könige entgegen ihr Bewohner Italiens.“ 
Diese Weissagung Dante’s hat unverlöschbar fortgebrannt und ist in den letz 
ten Jahren bis nah an voll verwirklicht worden. Victor Emanuel verlegt die Resi 
denz des italienischen Königreichs nach Florenz und die weltliche Herrschaft des 
Papstes verliert immer mehr ihren Boden. Der Jubel in Italien in der letzten Woche 
muss grenzenlos gewesen sein. Aber wie ein Höhenrauch an einem hellen schönen 
Sommertag den Azur des Himmels und die Farbenpracht der Erde verdunkelt, unser 
Gemiith unheimlich drückt und beklemmt, so lastet auf der deutschen Nation seit län 
gerer Zeit ein Etwas, was sie selbst froh zu sein verhindert und was andere Völker 
froh stimmt mitzuempfinden. Denn freuen sollte sich doch Alles, was lebt, über die 
letzte Bewegung des italienischen Volkes. Sie giebt uns doch den Beweis, was aus 
dauernder Wille, was Begeisterung für eine Idee vermögen. Dass Italien geographisch 
eine Einheit bildet, wer wollte das leugnen, sprachlich desgleichen. Dass es eine poli 
tische Einheit zu bilden sich anstrengt, wen könnte das mehr freuen als uns Deutsche! 
Denn man sieht, Alles kommt, wenn die Zeit erfüllet ist. Man sieht, es geht langsam 
in der Weltgeschichte. Auch durch die germanische Nation zieht wie ein galvanischer 
Strom die Prophetie der Einheit. Deutschland mag noch lange nicht reif sein für seine 
Einheit, aber sie wird sicherlich kommen, wenn die Zeit erfüllet ist. Italien wollen 
wir es aber von Herzen gönnen, dass es sich an den Worten Dante’s erbaut: „jetzt 
freue dich“ und dass es testhält an der Weissagung seines grossen Dichters. Dass 
die weltliche Macht des Papstes gebrochen und aufhören wird, ist doch wohl nicht 
nur von italienischer, sondern von europäischer Bedeutung. 
Das Zweite, was Dante so gross macht, ist seine Schöpfung der modernen 
italienischen Sprache, der sog. lingua volgare. Der Lebensbeschreiber Dante’s, Balbo, 
sagt in dieser Beziehung: „Nach meinem Dafürhalten hat Dante zuerst unter den Ita 
lienern die lingua volgare zu dem Range erhoben, welchen Homer unter den Grie 
chen und Virgil unter den Römern ihrer Muttersprache gegeben haben.“ 
Ja freilich hat er das! Dante steht an der Grenze zweier Welten. Ganz Sohn 
des Mittelalters begründet er als Mann eine neue Periode Er begann seine göttliche 
Comödie zuerst lateinisch. Wie ein unbegreifliches Wunder steht Dante in seiner 
SprachschÖpfung da. In seiner Jugend herrschte die provenpalische und limousinsche 
Sprache und Poesie überall. Die italienische Zunge lallte in Mundarten, über denen 
für den Ausdruck alles Höheren die lateinische Sprache schwebte. Da vereinigten sich 
in Dante sein Genie und sein Patriotismus zu Einer Flamme. Er liebte sein Italien, 
das in so viele Gebiete zerfallene Land, in welchem man 14 Dialecte sprach und keine
	        
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