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men, dass kein Mann für gross gehalten wird auf irgend einem Gebiete, der nicht,
was er ist und hat, in Beziehung stellt zum Vaterlande,
Wir werden die politische Beziehung in dem italienischen Dantefest ganz von
selbst vor unsern Augen entstehn sehen, wenn wir nun zum Schluss die Frage zu
beantworten suchen : was ist es, was Dante geleistet hat; was ist es, wodurch er so
einzig dasteht ?
Dass Dante für Italien eine besondere Bedeutung hat, ist gewiss; aber dann
hat er auch eine allgemeine Bedeutung für die Menschheit; denn jeder grosse Dichter
ist ein Hierophant der Menschheit.
Aber wir haben auch Ursache, das, was Italien speciell betrifft, auf ganz
Europa zu beziehen; denn Italien ist das Land, das drei Mal Europa unterwarf, das
erste Mal durch die Waffen (das alte Rom), das zweite Mal durch den Glauben (die
katholische Kirche), das dritte Mal durch das Antike (das Wiederaufleben der Wissen
schaften). In diesem dritten Stadium steht Dante so zu sagen an der Spitze.
Man kann sich Dante’s Bedeutung unter 3 Gesichtspunkten veranschaulichen.
Er ist erstens für Italien der Repräsentant ihrer nationalen Idee 5 es ist die
politische That des heutigen Italiens die Verkörperung der Ideen Dante’s. Die An
hänger des Papstthums im 13. und 14. Jahrhundert wussten wohl, was sie an dem
lebenden Dante zu hassen und von dem Geiste des todten zu fürchten hatten. Wie
Luther erfüllten Dante die Verderbnisse der katholischen Kirche mit Schauder und er
schleuderte seinen Fluch auf die weltliche Macht der Päpste, als die Quelle ihrer Hab
sucht und Sittenlosigkeit. Im 27. Gesang des Paradieses V. 22—28 lässt Dante Petrum
von Bonifacius sagen :
„Der meines Stuhls sich anmasst dort auf Erden,
Des Stuhls, auf dem kein Hirt jetzt wacht,
Vor Christi Blick, zum Schutze seiner Heerden,
Hat meine Grabstätt zum Cloak gemacht,
Von Blut und Stank ;
(fatto ha del cimeterio viio cloaca
del sangue e della puzza.)
Nach Dante sollte der Papst aller weltlichen Macht entsagen. Damit hing unmittelbar
wie durch eine logische Nothwendigkeit zusammen seine Sehnsucht nach politischer
Einheit Italiens, sein Kaiserideal. Seine Worte, als Heinrich VII. nach Italien zog,
lauten: „Jetzt freue dich, Italien, du mitleidwerthes Land, bald wirst du von der
ganzen Welt beneidet werden, denn dein Bräutigam, der die Freude der Welt und
die Glorie deines Volkes ist, der erlauchte Cäsar, beeilt sich zu deiner Hochzeit zu
kommen. Trockne, o Schönste, deine Thränen und thue ab die Spuren deiner Trau
rigkeit; denn er ist nahe, der dich befreien wird aus dem Kerker des Bösen; er wird
die Verräther schlagen und sie verdammen mit der Schneide seines Schwerdtes und