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Polenta unterlag. Erst im Jahre 1482 liess ein gewisser Bernardo Bembo dem
Dichter ein schönes Mausoleum bauen. Es ist das heutige, aber etwas umgewandelt
im 17. und 18. Jahrhundert. Das Grabmal Dante’s ist ein kleiner Tempel, den eine
Kuppel deckt, im Styl der Renaissance. Den innern Raum schmücken Reliefs und
Inschriften. Vier Medaillons stellen Virgil, Brunetto Latini, Can Grande della Scala
und Guido da Polenta dar. Der Eingangsthür gegenüber steht der Sarkophag, über
ihm das Bildniss Dante’s in Relief mit einer lateinischen Inschrift. Das Grab ist stets
verschlossen; der Schlüssel wird auf dem Stadthause verwahrt, aber jedem Fremden
wird es gezeigt. Lord Byron ging nie an dem Grabmal auch in der Ferne vorüber,
ohne ehrfurchtsvoll sein Haupt zu entblössen.
Eigenthtunliche Vereinigung dreier weltberühmter Mausoleen in Ravenna, der
Galla Placidia, des Theodorich und Dante’s, ruft mit Recht Gregorovius aus, dem
wir in seiner schönen Schilderung Ravenna’s gefolgt sind. Sie bezeichnen grosse
Abschnitte des geschichtlichen Lebens, der Gang von einem zum andern ist wahrlich
eine Wanderung durch grosse, von Gestalten reich erfüllte Räume der Weltgeschichte.
Michelangelo sagt in einer Sonnette:
„Geringe Schätzung wurde Dante’s Werken
„Und heil’gem Drang beim undankbaren Volke,
„Das jeglichem Verdienst Beifall verweigert.“
Diess mag zu Michelangelo’s Zeiten so gewesen sein. Gewiss ist aber, dass schon
früh Giovanni Bocaccio, Benvenuto, Rambaldi von Irnola, Philipp Velani und Franz
Filelfo in der Kirche von St. Stephano die göttliche Comödie dem florentinischen
Volke erklärten. Ebenso Franz da Buti in Pisa, Philipp da Reggio in Piacenza, und
dass an Universitäten eigene Lehrstühle für die Erklärung Dante’s errichtet wurden.
Gewiss ist auch, dass der Titel „göttlich“ nicht von Dante stammt, sondern von der
Nachwelt. In spätprn Jahrhunderten wurde er freilich, wie so Vieles, vergessen.
Chateaubriand und die Romantiker haben das Studium Dante’s wieder in die Mode
gebracht. Den ersten Versuch, die göttliche Comödie in das deutsche Verständniss
einzuführen, machte Meinhardt vor 100 Jahren; aber seit Anfang dieses Jahrhunderts
sind die Ausgaben Dante’s allein in italienischer Sprache auf 40 herangewachsen,
Uebersetzungen in grosser Zahl erschienen, selbst von einem Könige, gelehrte Erklä
rungen allein in italienischer Sprache über 80. Im Jahre 1803 verfasste Schelling
eine Abhandlung über Dante in philosophischer Beziehung, welche die universelle für
alle Zeiten bleibende Bedeutung der göttlichen Comödie nachweisst, von welcher
Abhandlung aber nicht viel mehr iri’s Publicum drang, als das oft wiederholte Wort,
dass das Inferno plastisch, das Purgatorio malerisch, das Paradiso musicalisch sei.
Aber die Wissenschaft vertiefte sich jetzt bedeutend in Dante nach allen Richtungen
hin. Doch diese Seite der Betrachtung dürfen wir heute am allerwenigsten
verfolgen, weil klein nur ist, was einer Rede Grenze zu bieten vermag und weil