Full text: (Band XII.)

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(Dass diese vita nuova mit der göttlichen Comödie genau zusammenhängt, hat beson 
ders der ehrwürdige Schlosser gezeigt); jetzt entstand auch die göttliche Comödie. 
Mit donnernder Stimme begann Dante sein Strafgericht über das Laster und 
die Lasterhaften seiner Zeit. Heinrich VII. kam nach Italien, aber der Traum Dante’s 
ging nicht in Erfüllung. Heinrich starb, ohne Florenz einzunehmen und Dante sah 
sieh genöthigt, auf’s Neue zu seinem herumirrenden Leben und zu seinem heiligen 
Gedichte, „der einzigen Freude und dem einzigen Trost in so vielem Unglück,“ zurück 
zukehren. Er war in Verona im Hause della Scala, von dessen Haupt, Can Grande, 
Dante rühmt, dass er nicht nach Land und Metall, sondern nach Weisheit, Liebe und 
Tugend gedürstet habe; in Padua beim Hause Papafavi, in Gubbio bei der Familie 
Bosoni, in der Lunigianer Mark beim Hause Malaspini, im Casentinischen bei den 
Salvatici, in den urbinatischen Bergen bei der Familie Faggiula. — In seinem Ge 
dicht gedenkt er der meisten. Im Jahre 1320, ein Jahr vor seinem Tode, kam er 
heimathslos und in bitterster Armuth nach Ravenna. Damals, so erzählt Boeaccio, 
war Herr über Ravenna ein edler Ritter, Guido Novella da Polenta. Dieser war in 
den liberalen Wissenschaften wohl unterrichtet, ehrte die tüchtigen Männer hoch und 
vor Allen diejenigen, welche durch Kenntnisse Andere überragten. Als er hörte, 
dass Dante ohne Aussicht in der Romagna sich befinde, so entschloss er sich, ihn in 
diesem verzweifelten Zustande aufzunehmen, ohne von ihm darum angegangen zu 
sein. Guido da Polenta war Neffe der Francesca da Polenta, welche mit Malatesta, 
dem Podestä von Rimini vermählt, durch Dante selbst aber als Francesca da Rimini 
unsterblich geworden ist. Guido da Polenta nahm keinen Anstoss an den Versen 
Dante’s, der den Schatten seiner unglücklichen Muhme unter den zur ewigen Qual 
verdammten Seelen aufgeführt, aber ihr tragisches Schicksal durch den Hauch seiner 
Poesie zu einem Gegenstand der Rührung für alle Zeiten gemacht hatte. Wir be 
sitzen das Bild dieser Scene in unserer Kunsthalle. Ich habe damals die darauf 
bezüglichen Verse Dante’s aus dem fünften Buch seines Inferno zur Erklärung des 
Bild es abdrucken lassen und mich dünkt, Jeder muss den Zauber dieser Verse 
empfinden. 
Die Kämpfe in der leidenschaftlichen Seele Dante’s, welche sein Gedicht durch 
strömen, waren geschlichtet, als er in Ravenna seine Tage beschloss. Er widmete 
sie hohen religiösen Betrachtungen; er dichtete hier Busspsalmen und sein Credo. 
Er schien ein Büsser geworden zu sein, wie jener Otto III., welcher, nachdem seine 
Herrschaft über Rom in Irümmer gegangen Avar, sich in die Kutte hüllte und in der 
Zelle zu St. Appollinaris zu Ravenna sich kasteiete. 
Als er nun zum Sterben sich legte, am 14. September 1321, wollte er in der 
Kutte der Franziscaner begraben sein. Guido da Polenta bestattete den todten Dichter 
in einem Marmorsarkophag bei den Minoriten. Er beschloss, ihm ein prächtiges 
Denkmal zu setzen, aber diess unterblieb wegen der Unruhen, denen das Haus 
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