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Durch die Verbannung reifte Dante zu seiner ganzen Höh’ hinan; es ist aber
nothwendig, einen Augenblick auf die damalige politische Lage Italiens und besonders
der Stadt Florenz zurückzugehn.
Die Zeit, in Aveleher Dante lebte, war eine der unruhigsten, die wir kennen,
denn ganz Italien ward unaufhörlich durch die Zwistigkeiten der Päpste und Kaiser
zerrissen. Die, welche für den Papst Partei nahmen, nannten sich Welfen, die kaiser
lich Gesinnten Ghibellinen. Dante gehörte von Geburt zu den Guelfen. Schon als
junger Mann trug er die Waffen in einem Feldzuge, den die Guelfen von Florenz
gegen die Ghibellinen von Arezzo unternahmen und das Jahr darauf kämpfte er
gegen Pisa. Die guelfische Partei hatte in Florenz die Obermacht, war aber durch
Familienverhältnisse selbst wieder in 2 Parteien zerfallen, in die sogenannten Schwar
zen und Weissen, i neri et i bianchi. Dante, der Familie der Schwarzen angehörig,
wurde zu einem der Prioren der Stadt ernannt. Er wurde aber den Schwarzen ver
dächtig, weil sie glaubten, dass er im Herzen mehr für die Weissen sei und diess
war auch der Fall, weil er sie für gerechter hielt. Die Schwarzen warteten auf einen
Augenblick der Rache und der kam bald. Als die Zeit des Priorenamts abgelaufen
war, sandte man ihn an den Papst Bonifacius VIII., um diesen zu bewegen, als Ver
mittler und Versöhner die inneren Unruhen in Florenz beizulegen. Der Papst hatte
eine Vorliebe für die Schwarzen, weil das Gerücht ging, dass unter den Weissen im
Stillen ein ghibellinischer Geist sich ausbreite; er suchte daher ein Mittel, die andre
Partei niederzudrücken und diess gelang ihm bald nach Wunsch. Dante befand sich
noch in Rom, als Carl von Valois, der Bruder Philipp des Schönen von Frankreich,
auf Bonifacius Wunsch mit einer bedeutenden Kriegsmacht in Florenz einzog, unter
dem Scheine, zu versöhnen, aber mit der Absicht, die Weissen zu unterdrücken.
Diesen Augenblick wählten auch die Schwarzen, um Dante’s Haus zu stürmen, es
zu plündern und dem Feuer Preis zu geben. Dabei blieben sie nicht stehn, sondern
forderten Dante vor Gericht und da er nicht schnell genug der Vorladung Folge
leistete, wurde er verbannt und seiner Güter beraubt. Dante mit den andern ver
triebenen Weissen machte bald darauf, aber vergebens, den Versuch, die Stadt
Florenz mit Gewalt einzunehmen, was nur ein noch schärferes Urtheil gegen ihn zur
Folge hatte.
So zo<r er in die Verbannung, von Stadt zu Stadt wandernd und wie er sagt,
kostend, wie salzig fremdes Brod schmeckt und wie hart die Mühe ist, herauf- und
herabzusteigen auf fremden Treppen (provando, come sa di sale il pane altrui e
corn’e duro calle lo scendere e salir per 1 altrui scale). Jetzt aber wurde er mit
Leib und Seele Ghibelline; jetzt entstand in ihm die Ueberzeugung von der Noth-
wendigkeit der monarchischen Form, die er in seiner Schrift de monarchia dargelegt
hat, jetzt die Sehnsucht nach italienischer Einheit, jetzt die Sehnsucht nach dem
Kaiser, Italien zu befreien, jetzt seine Genesung zum bessern Leben, die vita nuova.