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überall einzuführen sei, hinstellt. Selbst Stahl räumt ein, dass die Republik
»nicht minder nach Gottes Ordnung zulässig, nicht minder rechtsbegründet, und, wo
ein Staat (ein Volk) diesen Beruf hat, nicht minder eine heilsame und der monar
chischen ebenbürtige Verfassung sei.“ Nicht die abstracte Vorzüglichkeit der Form,
sondern das Leben der Völker ist das Entscheidende über den Vorzug der Staats
formen. Das Leben des Volks ist mehr werth als seine Staatsform.
Die reinen Staatsformen existiren überdies nur im Begriffe, in der Wirklich
keit ist jeder Staat ein mehr oder weniger gemischter, ein temperirter. Die absolute
Monarchie, dass nur Einer herrscht, findet sich nirgends, es nehmen immer Mehrere
wenn auch nur als höchste doch relativ selbstständig gestellte Beamte an der Herr
schaft Theil. Die reine, begriffliche Demokratie würde die sein, wo allein das Loos
über die Ernennung zur Obrigkeit entscheidet, da wenn alle gleich sind, es einerlei
ist, wen das Loos trifft. Schon die Wahl ist aristokratisch, sie setzt einen bevor
zugten Stand von Wahlcandidaten. Die reine Demokratie kommt daher auch nirgends
vor. Sie ist wie die absolute Monarchie nur eine politische Tendenz. Es giebt in
jedem Volke Menschen von hohen und vorzüglichen Eigenschaften, welche auch in
der Demokratie ein Uebergewicht gewinnen. Die Aristokratie geht bald in die Mon
archie, bald in die Demokratie über; aus dem herrschenden Stande geht ein Fürst
hervor, oder die beherrschten Stände gelangen zur gleichen Berechtigung mit den bis
dahin herrschenden. Aber das wahre Element der Demokratie, der Aristokratie und der
Monarchie muss in jedem Staate sein, ein Princip des Fortschrittes zum Neuen, der
Erhaltung der erworbenen und lebensfähigen Güter des geschichtlichen Lebens, und
ein monarchisches Princip der centralen Kraft. In der Anerkennung dieser Princi-
pien und Forderungen in dem Leben des Volkes liegt das Ideal des Staates. Frei
heit, einheitliche Macht und Continuität in der geschichtlichen Entwicklung gehören
zum Gedeihen des Staates.
•) Stahl a. a. O. B. 2. Abth. 2. S. 479.