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daher in der Republik kleiner als in der Monarchie. Der Freiheit wird die Republik
weniger leicht gefährlich, aber der Gerechtigkeit, der Ordnung, der Rücksicht auf
historische Verhältnisse vermag sie weniger, als die mächtigere Monarchie, welche
den Einzelnen wider die Uebermacht einer Mehrheit, eine Minorität gegen den Ueber-
muth einer Majorität schützen kann, zu dienen. Die Republik muss dies der sittlichen
und intellectuellen Bildung des Volkes oder eines Standes überlassen. Der unzuver
lässige Privatcharakter muss ersetzen, was in der Monarchie die öffentliche Macht
leisten kann. Darin liegt in der Betrachtung des Menschen, wie sie aus der Republik
und der Monarchie hervorgeht, der ungeheure Unterschied, dass die Monarchie die
sittliche und intellectuelle Bildung als eine Forderung hinstellt, welche erfüllt oder
auch nicht erfüllt sein kann, die Republik aber als eine Thatsache, worauf sie bauen
kann. Der Mensch soll das Bild Gottes sein, aber er ist es nicht, sondern wird es
erst. Auch der Staat muss die sittliche Aufgabe als unerfüllt ansehen und seine
Macht dient dazu, Bedingungen herzustellen, welche ihre Erfüllung nicht voraussetzen,
sondern erst ermöglichen sollen. Wenn das sittliche Reich da ist, ist kein Staat mehr
nothwendig, für die Entstehung und das Werden desselben aber ist er selbst in seiner
thatsächlichen Macht eine nothwendige Bedingung, denn er schafft den Raum und
die Garantie der Freiheit.
Welche Staatsform aber die an sich beste ist, lässt sich in Abstracto nicht
entscheiden. Jede Form hat ihre eigentümlichen Vorzüge 5 die Demokratie für die
Freiheit der Entwicklung, die Aristokratie für die Erhaltung der geschichtlich erwor
benen Güter, die Monarchie für die centrale Kraft des Volkes. Keine Staatsform ist
an und für sich die vorzüglichste, für verschiedene Zeiten und Lagen der Völker
können verschiedene Staatsformen die besten sein. Sie sind nicht Ideale, welche dem
Denken und Streben immer als Zielpunkte vorleuchten müssten, sondern nur Mittel
um im Volke den Gegensatz worauf das staatliche Leben beruht auszugleichen. Als
Gegenstände beliebiger Wahl treten sie nicht in der Geschichte, sondern nur in den
Lehrbüchern der Politik auf. Sie sind Typen der Staatsbildung, die sich ändern nach
dem geschichtlichen Leben, dem sittlichen Processe und der Eigenthümlichkeit eines
Volkes. Eine Monarchie kann nicht entstehen und nicht dauern, wenn nicht ein Ge
schlecht vorhanden ist, welches Vertrauen und Ansehen im Volke geniesst. Wo dies
fehlt, ist die Monarchie nur ein todter Name. Ebenso ist eine Aristokratie nicht
möglich wo nicht ein Stand durch seine Thaten und sein Leben Ansehen und
Achtung im Volke gewonnen hat und sich zu erhalten versteht. Die Demokratie
kann nur entstehen und sich erhalten in einem Volke, in dessen geschichtlicher Ent
wicklung ein wesentlich identischer sittlicher Process sich findet.
Man beweist daher auch zu viel, wenn man nur die Republik oder nur die
Monarchie als die beste und allein der Vernunft entsprechende Staatsform, die daher