gebildet, indem das Volk an sich eine Einheit ist, welche im Staate zum Bewusstsein
kommt und als Zweck gewollt wird. Die Bildung des Staates ist die Aufgabe des
Volkes. Daher sind die Einrichtungen und Formen des staatlichen Lebens verschie
den bei verschiedenen Völker, da jedes Volk nach seiner Individualität seinen Staat
bildet. Volk und Staat verhalten sich zu einander wie eine natürliche und eine
ethische Gemeinschaft. Die Einheit des Volkes ruht auf einem Naturprocess, die Ein
heit des Staates auf einem ethischen Proeesse.
Das sittliche Leben steht aber mit der Natur in einer nothwendigen Zurück
beziehung, weil die Natur als eine Schöpfung für den sittlichen Endzweck, der
in ihr verwirklicht werden soll, prästabilirt ist und alle Kräfte in ihr für das
sittliche Leben angelegt sind. Daher hat auch die Staatsbildung ihre natürliche
Grundlage in den Völkern. Wenn der Staat in ihnen wirklich werden soll, müssen
die Bedingungen seiner Möglichkeit im Volke gegeben sein. Dies wird selbst aner
kannt in den naturrechtlichen Theorien , nach denen die Gründung der staatlichen
Gemeinschaft entstehen soll aus der willkürlichen Thätigkeit der Einzelnen, welche
zur Staatsbildung zusammentreten. Denn wenn es gleich richtig ist, dass der historische
und der ethische Process von den Einzelnen ausgeht auf das Allgemeine, aus der ur
sprünglichen Vereinzelung in immer grösseren Kreisen durch die verbindende Thätigkeit
der Individuen die Gemeinschaft hervorgeht, so hat man sich doch auch in den na
türlichen Theorien genöthigt gesehen, diesem Proeesse vorhergehen zu lassen einen
Naturzustand. Man fehlte nur darin, dass man in diesem Zustande theils nicht schon
eine natürliche Verbindung, wie sie im Volke vorhanden ist, und dass man ander
seits den Naturzustand nicht als einen menschlichen voraussetzte.
Die Einheit des Volkes giebt sich zuerst zu erkennen in der Sprache. Sie
ist ein Band der Einheit unter den Menschen. Jede Sprache ist schon an sich etwas
Allgemeines. Sie gehört nicht den Einzelnen, sondern der Gemeinschaft eines Vol
kes an. Der Einzelne hat an ihr nur Theil als Genosse des Volkes. Der Mensch
ist das sprachfähige Geschöpf der Erde. Darin liegt, dass er nicht isolirt, sondern
als Theil eines Ganzen Existenz hat, denn jede Sprache ist eine Volkssprache. Keiner
spricht seine, sondern die Sprache seines Volkes. Die Sprache ist ein allgemeiner
Besitz, ein Allgemeingut des Volkes, woran alle gleichen Theil haben. Sie selbst aber
dokumentirt in den Genossen, welche sie reden, eine Uebereinstimmung der Gedanken,
Erkenntnisse, Anschauungen und Gefühle. Die, welche eine Sprache reden, verstän
digen sich in ihr, weil sie in ihren Denk- und Empfindungsweisen übereinstimmen.
Sie besitzen eine übereinstimmende Anschauung von ihrem Leben und der Welt,
worin sie leben. Die Sprache selbst stammt aus dem Gemeinschaftsleben des Volkes,
woraus sie in einen geschichtlichen und nicht bloss physischen Proeesse sich gebildet
hat. Die Sprache weist stets zurück auf eine Einheit des geistigen Lebens eines Volkes.
Diese Einheit, welche im Volke seine Sprache bezeugt, setzt der Staat als Na-