Full text: (Band XII.)

gebildet, indem das Volk an sich eine Einheit ist, welche im Staate zum Bewusstsein 
kommt und als Zweck gewollt wird. Die Bildung des Staates ist die Aufgabe des 
Volkes. Daher sind die Einrichtungen und Formen des staatlichen Lebens verschie 
den bei verschiedenen Völker, da jedes Volk nach seiner Individualität seinen Staat 
bildet. Volk und Staat verhalten sich zu einander wie eine natürliche und eine 
ethische Gemeinschaft. Die Einheit des Volkes ruht auf einem Naturprocess, die Ein 
heit des Staates auf einem ethischen Proeesse. 
Das sittliche Leben steht aber mit der Natur in einer nothwendigen Zurück 
beziehung, weil die Natur als eine Schöpfung für den sittlichen Endzweck, der 
in ihr verwirklicht werden soll, prästabilirt ist und alle Kräfte in ihr für das 
sittliche Leben angelegt sind. Daher hat auch die Staatsbildung ihre natürliche 
Grundlage in den Völkern. Wenn der Staat in ihnen wirklich werden soll, müssen 
die Bedingungen seiner Möglichkeit im Volke gegeben sein. Dies wird selbst aner 
kannt in den naturrechtlichen Theorien , nach denen die Gründung der staatlichen 
Gemeinschaft entstehen soll aus der willkürlichen Thätigkeit der Einzelnen, welche 
zur Staatsbildung zusammentreten. Denn wenn es gleich richtig ist, dass der historische 
und der ethische Process von den Einzelnen ausgeht auf das Allgemeine, aus der ur 
sprünglichen Vereinzelung in immer grösseren Kreisen durch die verbindende Thätigkeit 
der Individuen die Gemeinschaft hervorgeht, so hat man sich doch auch in den na 
türlichen Theorien genöthigt gesehen, diesem Proeesse vorhergehen zu lassen einen 
Naturzustand. Man fehlte nur darin, dass man in diesem Zustande theils nicht schon 
eine natürliche Verbindung, wie sie im Volke vorhanden ist, und dass man ander 
seits den Naturzustand nicht als einen menschlichen voraussetzte. 
Die Einheit des Volkes giebt sich zuerst zu erkennen in der Sprache. Sie 
ist ein Band der Einheit unter den Menschen. Jede Sprache ist schon an sich etwas 
Allgemeines. Sie gehört nicht den Einzelnen, sondern der Gemeinschaft eines Vol 
kes an. Der Einzelne hat an ihr nur Theil als Genosse des Volkes. Der Mensch 
ist das sprachfähige Geschöpf der Erde. Darin liegt, dass er nicht isolirt, sondern 
als Theil eines Ganzen Existenz hat, denn jede Sprache ist eine Volkssprache. Keiner 
spricht seine, sondern die Sprache seines Volkes. Die Sprache ist ein allgemeiner 
Besitz, ein Allgemeingut des Volkes, woran alle gleichen Theil haben. Sie selbst aber 
dokumentirt in den Genossen, welche sie reden, eine Uebereinstimmung der Gedanken, 
Erkenntnisse, Anschauungen und Gefühle. Die, welche eine Sprache reden, verstän 
digen sich in ihr, weil sie in ihren Denk- und Empfindungsweisen übereinstimmen. 
Sie besitzen eine übereinstimmende Anschauung von ihrem Leben und der Welt, 
worin sie leben. Die Sprache selbst stammt aus dem Gemeinschaftsleben des Volkes, 
woraus sie in einen geschichtlichen und nicht bloss physischen Proeesse sich gebildet 
hat. Die Sprache weist stets zurück auf eine Einheit des geistigen Lebens eines Volkes. 
Diese Einheit, welche im Volke seine Sprache bezeugt, setzt der Staat als Na-
	        
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