Full text: (Band VII.)

haben werden, auf die wichtigem Einwendungen, welche gegen die von uns vertretene 
Ansicht erhoben wurden, prüfend einzugehen. 
Die Unächtheit und im Zusammenhänge damit die Abfassung unsers Briefs erst 
im Laufe des zweiten Jahrhunderts ward von der Tübinger Schule, namentlich von 
Baur, Schwegler und früher auch von C. B. Köstlin behauptet, welcher letztere indess 
diese Ansicht in der angeführten scharfsinnigen Abhandlung Theol. Jahrb. 1853. S. 
411 ff. 1854 S. 418 ff. selber aufgegeben und eingehend widerlegt hat. Abgesehen 
davon, dass die Hypothese eines Ausgleichungsprocesses zwischen Paulinismus und 
Petrinismus sich aus unserm Briefe nicht bestätigen lässt, so muss derselbe noch vor 
der Zerstörung Jerusalems 70 n. Chr. geschrieben sein. Es ist nämlich ein Haupt 
zweck unsers Briefs, die Leser dadurch, dass ihnen die unvergleichlich grössere Herr 
lichkeit des Neuen Bundes gegenüber dem schattenbildlichen Alten Bunde, insbesondere 
seinen Mittlern und Opfern dargelegt wird, vor dem Ab- und Rückfall in jüdisches 
Wesen, vornämlich den jüdischen Opferdienst zu schützeu, vgl. 13, 9. 13 ff. 12, 15 ff. 
10, 25. 5, 11 ff, welche letztere Gefahr überhaupt nur bei noch bestehendem jüdi 
schen Teinpelcult gedacht werden kann. Durchgängig wird ferner vom jüdischen 
Tempel und Teinpelcult im Präsens wie von etwas Bestehendem, z. B. 9, 6 — 10, 
geredet, denn das gT%ev 9, 1 steht vom Standpunete des Christen, vgl. 8, 13., für 
welchen der alte Bund mit seinen Ordnungen bereits aufgehört hat. Es wird 8, 13. 
noch bewiesen, dass der mosaische Bund mit seinem Opferinstitut der Vernichtung 
nahe sei; was aber in der Zeit nach zerstörtem Tempel als Grund gegen die Fort 
dauer des jüdischen Tempeldienstes geltend zu machen besonders nahe lag, das von 
Christo als Strafe für den Unglauben des Volks geweissagte Gottesgericht der Zer 
störung des Tempels wird als eingetreten nirgends hervorgehoben. Ganz anders ver 
fährt der ähnliche Zwecke verfolgende, nach der Zerstörung des jüdischen Tempels 
schreibende und diese in seiner Beweisführung hervorhebende*) Verfasser des Briefs 
des Barnabas Cap. 4 u. 16. Ferner beruht die Beweisführung, dass Christus unser 
himmlischer Hoherpriester ist 8, 3 ff, auf der Voraussetzung der fortdauernden 
Existenz von irdischen Priestern, welche die Opfer nach dem Mose gegebenen 
göttlichen Gesetze darbringen, und auch 13, 13 ff*, setzt die Möglichkeit einer Opfer 
gemeinschaft mit den Angehörigen des irdischen Jerusalem voraus. Auf die Abfas 
sung des Hebräerbriefs vor der Zerstörung Jerusalems führt auch seine Benutzung 
im ersten Corintherbriefe des römischen Clemens, falls dieser, wie mir nicht unwahr 
scheinlich ist, vor der Zerstörung Jerusalems geschrieben ist. Seine Abfassung nach 
*) Dieser Unterschied wird von Schneckenburger u. Boltzmann a. a. O. S. 294 übersehen. 
Dass auch nach der Zerstörung des jüdischen Reiches noch gegen die Uebung des Judaismus, so 
fern derselbe die Existenz eines Tempels nicht nothwendig voraussetzte, also gegen Beschneidung 
und andere jüdische Bräuche zu kämpfen war. versteht sich von selbst und ist für die richtig 
formulirte Frage rücksichtlich des Hebräerbriefes ohne Bedeutung.
	        
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