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Streben das Reich der Wahrheit zu mehren suchen — denn ohne das letztere würde
der Wahrheitssinn sich in ihnen als matt und unlebendig erweisen — und zweitens
darin, dass sie diesen Sinn der akademischen Jugend einpflanzen, bei ihr nähren und
fördern und dadurch dem nachwachsenden Geschlechte ungeschwächt erhalten. Diese
beiden Thätigkeiten ergänzen und fördern sich aber wechselseitig. Denn die eigene
wissenschaftliche Production wird durch die Mittheilung des Lehrens ebenso angeregt,
wie umgekehrt die Lehrthätigkeit nur dann eine wahrhaft fruchtbare ist, wenn das
Vorgetragene aus freiestem Forschen hervorgegangen, der frische Ausdruck des eignen
Denkens und Sinnens ist, wenn die vollste Ueberzeugung im lebendigen Worte der
Lehre sich ausspricht. Und jedes Glied der Universität kann zum Gedeihen des
Ganzen sein volles Theil beitragen. Denn wenn die wissenschaftliche Production
hauptsächlich durch das Zusammenleben und den Gedankenaustausch unter den Leh
renden belebt wird, so wird die Lust des Lehrens wieder durch den entgegen kom
menden jugendlichen Eifer der Lernenden gehoben, der um so grösser sein wird, je
reichere Nahrung man ihm bietet.
Fassen wir also den Beruf der Universitäten in dem angedeuteten Sinne auf, so
werden wir nicht zweifeln, dass sie zu allen Zeiten nicht etwa bloss für die studirende
Jugend, sondern durch ihr blosses Dasein für das ganze Land dem sie angehören
von tief eingreifender Bedeutung sind. In dieser Erkenntniss schufen ja einst in
Preussen gross denkende Staatsmänner, Wilhelm von Humboldt an der Spitze, die
Universität Berlin zu einer Zeit in der der Staat auf’s tiefste danieder lag und die
Mittel kaum für die drückendsten Bedürfnisse vorfanden schienen. In dieser Erkennt
niss hat Deutschland immer seine Universitäten hoch gehalten und an ihnen mit Stolz
gehangen, während sonst zum Stolz wenig Grund war. Fremde spotten wohl über
die Menge kleiner deutscher Hochschulen und begreifen nicht, dass sie neben einander
bestehen. Aber es gebührt jedem Volke und jedem Volksstamme in seiner besondern
Weise, nach seinen eigensten Sitten und Anschauungen den Wahrheitssinn zu pflegen.
Für jede dieser Stätten giebt es wieder besondere Aufgaben. Mit Recht scheint daher
jedem Lande der Besitz einer Universität wohl manches Opfers werth und gerade dem
Geiste des deutschen Volkes, das nichts mehr verschmäht als in rein geistigen Dingen
sich der Autorität Einzelner oder dem Modeton einer Hauptstadt zu unterwerfen, ist
es eigenthümlich auch aus kleineren Pflanzstätten gelehrter Bildung reichen Gewinn
zu ziehen, wo der unvermeidliche Mangel einer glänzenderen Ausstattung mancher
wissenschaftlichen Anstalten und einer volleren Anschauung durch die grössere Stille
und Concentration des Studiums, durch die Möglichkeit eines regeren wissenschaftlichen
Austausches und unbefangenerer jugendlicher Frische nicht selten ausgeglichen wird.
Selbst diejenigen, welche in allen Dingen zuerst nach dem Nutzen fragen, können
die Bedeutung der Universitäten für die einzelnen Länder nicht verkennen. Denn
so wenig deren Aufgabe eine unmittelbar praktische ist, aus dem reinen zunächst nur