Full text: (Band IV.)

8 
Streben das Reich der Wahrheit zu mehren suchen — denn ohne das letztere würde 
der Wahrheitssinn sich in ihnen als matt und unlebendig erweisen — und zweitens 
darin, dass sie diesen Sinn der akademischen Jugend einpflanzen, bei ihr nähren und 
fördern und dadurch dem nachwachsenden Geschlechte ungeschwächt erhalten. Diese 
beiden Thätigkeiten ergänzen und fördern sich aber wechselseitig. Denn die eigene 
wissenschaftliche Production wird durch die Mittheilung des Lehrens ebenso angeregt, 
wie umgekehrt die Lehrthätigkeit nur dann eine wahrhaft fruchtbare ist, wenn das 
Vorgetragene aus freiestem Forschen hervorgegangen, der frische Ausdruck des eignen 
Denkens und Sinnens ist, wenn die vollste Ueberzeugung im lebendigen Worte der 
Lehre sich ausspricht. Und jedes Glied der Universität kann zum Gedeihen des 
Ganzen sein volles Theil beitragen. Denn wenn die wissenschaftliche Production 
hauptsächlich durch das Zusammenleben und den Gedankenaustausch unter den Leh 
renden belebt wird, so wird die Lust des Lehrens wieder durch den entgegen kom 
menden jugendlichen Eifer der Lernenden gehoben, der um so grösser sein wird, je 
reichere Nahrung man ihm bietet. 
Fassen wir also den Beruf der Universitäten in dem angedeuteten Sinne auf, so 
werden wir nicht zweifeln, dass sie zu allen Zeiten nicht etwa bloss für die studirende 
Jugend, sondern durch ihr blosses Dasein für das ganze Land dem sie angehören 
von tief eingreifender Bedeutung sind. In dieser Erkenntniss schufen ja einst in 
Preussen gross denkende Staatsmänner, Wilhelm von Humboldt an der Spitze, die 
Universität Berlin zu einer Zeit in der der Staat auf’s tiefste danieder lag und die 
Mittel kaum für die drückendsten Bedürfnisse vorfanden schienen. In dieser Erkennt 
niss hat Deutschland immer seine Universitäten hoch gehalten und an ihnen mit Stolz 
gehangen, während sonst zum Stolz wenig Grund war. Fremde spotten wohl über 
die Menge kleiner deutscher Hochschulen und begreifen nicht, dass sie neben einander 
bestehen. Aber es gebührt jedem Volke und jedem Volksstamme in seiner besondern 
Weise, nach seinen eigensten Sitten und Anschauungen den Wahrheitssinn zu pflegen. 
Für jede dieser Stätten giebt es wieder besondere Aufgaben. Mit Recht scheint daher 
jedem Lande der Besitz einer Universität wohl manches Opfers werth und gerade dem 
Geiste des deutschen Volkes, das nichts mehr verschmäht als in rein geistigen Dingen 
sich der Autorität Einzelner oder dem Modeton einer Hauptstadt zu unterwerfen, ist 
es eigenthümlich auch aus kleineren Pflanzstätten gelehrter Bildung reichen Gewinn 
zu ziehen, wo der unvermeidliche Mangel einer glänzenderen Ausstattung mancher 
wissenschaftlichen Anstalten und einer volleren Anschauung durch die grössere Stille 
und Concentration des Studiums, durch die Möglichkeit eines regeren wissenschaftlichen 
Austausches und unbefangenerer jugendlicher Frische nicht selten ausgeglichen wird. 
Selbst diejenigen, welche in allen Dingen zuerst nach dem Nutzen fragen, können 
die Bedeutung der Universitäten für die einzelnen Länder nicht verkennen. Denn 
so wenig deren Aufgabe eine unmittelbar praktische ist, aus dem reinen zunächst nur
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.