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Existenz einer Merowinger-Epik fußend, beruhigt er sich nicht bei der
Ansicht Guessards und JJicbelants über die Entstehung der Floovent-
Dichtung. Nach ihm ist sie vielmehr auf dem Wege ununterbrochener,
mündlicher Tradition, wahrscheinlich in Liedform, aus Merowingerzeiten
bis ins 12. Jahrhundert gelangt, wo sie die uns vorliegende litterarische
Form erhielt. Floovent sei ein Merowinger-Held; u. z. verberge sich
hinter ihm kein Geringerer als der sagenberühmte Dagobert, von dem ja
ebenfalls die in der Einleitung des Floovent berichtete Episode erzählt
würde. Die Geste überlieferten uns die mönchische, der Floovent die von
ihr ganz unabhängige, volkstümliche Form der ursprünglich auf Dagobert
bezüglichen Anecdote (S. 103— 105). Von einer Abhängigkeit der Dichtung
von den Gesta könne wegen der außerordentlichen Verschiedenheit der
beiden Berichte keine Rede sein. Wenn aber der Dichter des Floovant
sich in Vers 12 f. dennoch auf eine schriftliche Quelle berufe, so folge er
hierin nur einem bei den volkstümlichen Dichtern allgemein verbreiteten
Branche, die auf diese Weise das Vertrauen ihrer Zuhörer und Leser in
die Wahrheit des von ihnen Erzählten zu heben suchten (S. 110).
Übrigens entbehrten auch die weiteren Schicksale Dagoberts und
Floovents der Parallele nicht. In den Gesta Dagolierti Kap. 14 — und
ebenso im Liber historiae Kap. 41 (Mon. Germ. SS. rer. Merow. II) —
würde von einem Sachsenkrieg Dagoberts und seines Vaters Clothars be
richtet, als dessen poetischer Nachklang die Erzählung von den Abenteuern
und Kämpfen Floovents wohl aufzufassen wäre (S. 105—108).
Freilich kämpfe Floovent nicht gegen Sachsen, sondern gegen Sa
razenen. Aber eine ganze Reibe von Daten hinsichtlich des Schauplatzes
der Handlung im Floovent — den man sich nach ihnen nur in der Rhein
gegend vorstellen könnte — zeigten zur Genüge, daß in der ursprüng
lichen Dichtung unmöglich die Sarazenen eine Rolle gespielt haben könnten,
sondern daß erst ein später Bearbeiter der Sage, der epischen Gewohnheit
seiner Zeit folgend, sie an Stelle der Sachsen in das Epos eingefügt habe
(S. 102-3).
Wie Floovent ferner die Sarazenin, d. li. ursprünglich die Sächsin
Maugalie heirate, so habe auch Dagobert die Sächsin Nanthilde zur Gattin
gehabt (S. 108).
lichter Pariser Codex des 15. Jalirli. 11467), der in lombardischem oder veneziscliem
Dialect geschrieben ist. (Cod. Par. — Codex Parisiensis.)
d) Ein bisher noch nicht edirter, gleichfalls auf der Nat -Bibl. in Paris befind
licher neapolitanischer Fioravante. Vergl. Darmesteter, Rom. VII, 630: Rajna, Z. f. r.
Ph. XII, 467, Asm. 2; derselbe in seinen ,Origini dell* epopea francese 1 Firenze 1884,
S. 132, Anm. 2.
Darmesteter 'in dem oben genannten Werk „De Floovante . . .“) nennt den Helden,
den die Ueberlieferung bald PToovant, bald Flovant oder F'ovent heisst — die ital. Form
,Fioravante l ist eine offenbare Neubildung auf der Grundlage des Namens, den die übrigen
Texte uns liefern — allgemein „Floovent“, um ihn von einem anderen, von Darmesteter
mit „Flovent“ bezeichneten Helden zu unterscheiden, dessen Geschichte — wir kennen sie
aus isländ. (Cederschiöld: Fornsögur sudhrlanda, Lund 1884, S. 124—208) und ital. Texten
(R, Buch I., T. R. Kap. 1-16; Cod. Par. fol. I) — die mannigfachsten Beziehungen zu
der des „Floovent“ aufweist. Ich kann mich dieser für das lesende Auge wenig glücklichen
und zudem durch die Ueberlieferung nicht gerechtfertigten Terminologie doch deshalb
anschlicssen, da ich mich hier im wesentlichen nur mit dem „Floovent“ zu beschäftigen
gedenke, Unklarheiten sich also leicht vermeiden lassen.
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