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vorkarolingischen Epik verbreitet (S. 437—446). Er bringt eine Reihe
von Zeugnissen dafür bei, daß die frz. Epik nicht erst seit Karl dem Großen
zu blühen begonnen habe, daß vielmehr sowohl seine Ahnen, Pipin und
Karl Martell, wie auch die Merowinger Könige bereits in epischen Liedern
gefeiert seien. „L’öpopee carolingienne“ — so sagt er S. 445 — „n’est
pas une de ces plantes etranges qui naissent en une nuit sur une place
vide: eile n’est qu’un anneau dans une chaine, qu’un moment dans une Serie,
Elle est, si l’on veut, un t'panouissement luxuriant et splendide, mais eile est
döterminde et preparüe par des vegetations puissantes, enracindes des longtemps
dans le sol.“ Für das Vorhandensein einer Merowinger-Epik im besonderen
sprächen die zahlreichen, vielfach in der Epik des Karlskreises wiederkehrenden
poetischen Motive, mit denen die Berichte der uns überlieferten historischen
Quellen — Gregor von Tours, Fredegar u. a. — über die Merowinger-Könige,
z. B. über Chlodwig, Clothar II. und besonders dessen Sohn Dagobert, durch
setzt seien. Unter jene sagenhaften, speziell für eine Merowinger-Epik
mit Dagobert als Mittelpunkt zeugenden Elemente rechnet nun G. Paris
(S. 444) auch jene sowohl in den Gesta wie im Floovent enthaltene Episode.
Sie gehört also nach ihm unter die Momente, welche allgemein die Existenz
einer Merowinger-Epik erweisen — über das Problem des Floovent und
seine Entstehung ist damit nichts gesagt. Der Verweis auf die Aus
führungen Guessards und Michelamts scheint aber zu beweisen, daß G. Paris
mit jenen Gelehrten an eine Entlehnung der Chanson aus den Gesta glaubte.
Eine andere Seite des Floovent-Problems kam zur Erörterung, als
Pio Rajna im Jahre 1872 in seinen „Ricerche intomo ai Reali di Francia“
mit Untersuchungen über das italienische Volksbuch der Reali hervortrat,
das in seine poetische Geschichte der Frankenkönige auch eine Version
des — hier Fioravante genannten — Floovent aufgenommen hat (vergl.
S. 1, Amu. 1, 3a). Rajna interessierten besonders die verschiedenen ital.
Versionen, deren Kenntnis er durch Veröffentlichung bisher unbekannter
Texte vermehrte (vergl. S. 1, Anm. 1, 3 b), in ihrem Verhältnis zueinander.
Die F'rage nach dem Ursprung der Floovent-Dicntung in dem Sinne ihrer
Beziehungen zur Merowinger-Epik beschäftigte Rajna nicht.
Hier setzt nun der interessanteste Teil der Forschungen Darme-
steters (1. c. S. 91 ff) ein. Auf den Erörterungen G. Paris’ über die
welche durch die Dissertation P. Gehits: „2 altfrz. Bruchstücke des Floovent“ Erlangen
1896 (nachher in den ßom. Forsch. X, 248 ff.) bekannt wurden. Yergl. G. Paris in
Kom. XXVI, 112 ff. —
2) 638 Verso einer niedl. F 1 o v e n t-Haudschrift. Die aus dem Schwanen-
turm des Schlosses von Cleve stammenden Bruchstücke gingen in den Besitz des Ger
manischen Museums über; Bartsch veröffentlichte sie 1864 in der Germ. IX, S. 407—36.
3) Italienische (Fioravante-) Texte:
a) Das 2. Buch der ,Reali di Francia‘ (R. = Reali), wohl am besten zugänglich in
der Ausgabe von Gamba, Venezia 1821. Die kritische Ausgabe (I Reali di Francia, testo
critico, per cura di G. Vaudelli, Vol. II, parte Ia, Bologna 1892; in den „Collezzione di
opere inedite o rare . . .“) ist m. W. erst bis zur Vollendung des 1. Buches gediehen.
b) Die von Pio Rajna nach einem Codex Laurentianus des 15. Jahrh. und einem
Codex Magliabecchiauus des 14. Jahrh. in den ,Ricerche intorno ai Reali di Francia'
Bologua 1872 veröffentlichte, gleich den R. toscanische ,Storia di Fioravante', die
Kap. 17—60 die eigentliche Geschichte Fioravantes erzählt. (.T. R. = Textus Rajnensis.)
c) Ein von Darmesteter in dem auf S. 1 näher bezeichneten Werk: „Do Floovante.
bekannt gemachter und im Anhang derselben Arbeit fS. 174 ff.) bruchstückweise veröffent-