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Abschnitte seiner Handlung in Balda, im zweiten in Ascondia (Scandia)
residiren. — Was zuerst den Namen Baume angeht, so hat bereits
Paulin Paris in seiner Analyse des Gedichts (Hist, littör. 26, S. 4) in
demselben eine epische Bezeichnung für Boheme, Böhmen, sehen wollen;
wie mir scheint, mit vollem Recht. Diese Lokalisirung der Feinde in
Böhmen würde vorzüglich mit der des Reiches Flores in Einklang stehen,
das ja nach der einstimmigen Aussage aller Versionen in der Rhein
gegend liegen muß. Allerdings wohnten in Böhmen niemals Sarazenen.
Aber höchstwahrscheinlich haben auch die Sarazenen ursprünglich in der
Dichtung gar nichts zu schaffen, und die geographischen Daten unserer
Texte weisen auf eine weit frühere Entwicklungsstufe unserer Dichtung
zurück als es selbst die durch xF verkörperte Form derselben ist, in welche
bereits die Sarazenen ihren Einzug gehalten haben. Wenn ursprünglich
das nördliche Frkch., die Rheingegend und Böhmen den Schauplatz der
epischen Handlung bildeten, dann kann im Urfloovent — der also älter
als xF sein muß; er ließe sich mit XF bezeichnen -— von Sarazenen
noch nicht die Rede gewesen sein; dann muß die Bevölkerung Frkch.s
und des benachbarten Deutschland die Basis für die Abenteuer Floovents
gebildet haben; dann muß das Epos in einer Zeit entstanden sein,
in der die Sarazenen noch nicht die typischen Feinde der Franzosen in
der Dichtung waren. — Von hoher Altertümlichkeit des Epos zeugt auch
der Umstand, daß die Hauptstadt des Königs von Frkeh., wo sie von
wirklicher Bedeutung für die Handlung wird, d. h. im letzten Teil der
Dichtung, nicht Paris, sondern Loon ist. Auch hier spiegelt sich im
Epos noch eine sehr frühe Epoche französischer Geschichte, in der Paris
noch nicht das unbestrittene Centrum des Landes war, wo vielmehr neben
ihm noch andere Städte von gleicher Bedeutung für das Reich waren.
Die wenigen Verse der Einleitung des T. v. M., aus denen man auf
Paris als Hauptstadt schließen könnte, ließen sich der Dichtung leicht
anfügen.
Nur eine Erwägung könnte diese Anschauungen in Frage stellen:
Die in den ital. Texten enthaltene Benennung für die Sarazenenstadt:
Balda (=Bagdad l ) — bezeichnet tatsächlich eine Stadt des Orients, die man
sich also sehr wohl als Sarazenenresidenz in einer Chanson-de-geste denken
könnte. — Nun aber ist auch nach dem Fior. das Reich Fiorios in Über
einstimmung mit den übrigen Texten am Rhein zu suchen. Vom Rhein
bis Bagdad ist aber ein etwas weiter Sprung. In dieser räumlichen Ent
fernung können die Reiche in der ursprünglichen Dichtung nicht von
einander gelegen haben. So ist die Annahme wohlbegründet, daß man
in Italien für Baume, das aus den importirten frz. Heldengedichten sonst
nicht bekannt war, das bekanntere Balda einsetzte, zumal im Epos, wie
man es aus Frkch. empfing, bereits von Sarazenen die Rede war.
1) Vergl. Schwan-Behrens, Grammatik des Altfranzösischen, 5. Aufl.
Lpzg. 1901, S. 94.