Full text: Floovent-Studien

4 
Wie aber erkläre sieh die Thatsache, daß der Held der Dichtung 
statt Dagobert Floovent heiße, daß er ferner als ein Sohn des Chlodwig, 
und nicht als der Chlotars erscheine? — Hier zeigt nun Darme- 
steter an der Hand der von G. Paris stammenden Etymologie: Floo 
vent < * Floovenc < * Flothovinc-um < * Chlothovinc-um, 1 ) daß der Name 
Floovent ein Gattungsname für das Geschlecht Chlodwigs — also etwa 
gleichbedeutend mit „Merowing“ — sei, daß folglich, wie jeder andere 
Nachkomme des Chlodwig, so auch Dagobert mit diesem Namen bezeichnet 
werden konnte. Dann aber wäre es auch nicht weiter wunderbar, daß er 
als ein „Chlodowinger“ nachträglich zu einem leiblichen Sohn Chlodwigs 
gestempelt sei (S. 10S f). 
G. Paris erklärte sich mit dem Ergebnis der Darmesteterschen 
Arbeit in seiner Besprechung derselben (Rom. VI, 605—12) einverstanden. 
Anders die deutsche Kritik. In der Z. f. r. Ph. II, 335 ff., bes. 
337 f. nahm Stengel Stellung zu der Frage. Er leugnet die Existenz der 
Merowinger-Epik durchaus nicht, bestreitet aber, daß wir es in der Chanson 
de Floovent mit einer auf dem Wege mündlicher Überlieferung durch die 
Karolinger-Epik hindurch geretteten Merowinger-Sage zu tun hätten Er 
sei vielmehr der festen Überzeugung — und hiermit greift er auf die 
Anschauung Guessards und Michelants zurück —, daß die Dichtung eine 
freie, volksmäßige Bearbeitung eines den Gesta Dagoberti nahe verwandten, 
lateinischen Berichtes sei; Darmesteter unterschätze den Wert der Verse 
12 f. des T. v. M., in denen der Dichter offen auf seine Quelle verweise. 
— Ferner enthalte derselbe Text noch direkte Spuren der Benutzung 
seiner lateinischen Vorlage: In den Versen 218 ff. klage Cloovis, die Geist 
lichkeit habe ihn gehindert, seinen Sohn für den von ihm begangenen 
Frevel zu töten — während nach den Versen 130 ff. die Rettung Floovants 
das Werk seiner Mutter, der Königin, gewesen sei. Wie sei der Wider 
spruch der Verse 218 ff. und 130 ff. anders zu erklären, als daß in den 
ersteren noch die kirchliche Quelle zum Durchbruch komme? — 
Ferner sei in dem Teil des Floovent, der auch in den Gesta ent 
halten sei — also in der Einleitungs-Episode — bereits „der ganze epische 
Gehalt der Chanson“ enthalten. Der „Dichter habe diesen nur in der üb 
lichen Weise ausgesponnen und mit einer Anzahl romanhafter Fäden 
durchwoben, wodurch die Chanson ganz das Ansehen der Gedichte über 
Huon de Bordeaux, Gaydon, den Sachsenkrieg und anderer erhalten habe.“ 
— So also urteilt Stengel über die, im T. v. M. die Einleitungs-Episode 
an Umfang mehr als zehnfach übertreffende, eigentliche Handlung des 
Epos von Floovent, in der Darmesteter ebenfalls noch mancherlei Ana- 
logieen mit den Schicksalen Dagoberts erkennen wollte (vergl. S. 3). 
Auch die Erklärung des Namens Floovent, wie sie G. Paris gegeben, 
läßt sich nach Stengels Meinung mit der von ihm vertretenen Anschauung 
über die Entstehung der Dichtung wohl vereinigen. Er sagt: „In der 
1) Bereits in den Erörterungen G-. Paris’ in Rom II, 357 liegt der Keim dieser 
Etymologie.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.