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Die griechischen Wörter im Französischen
nunmehr als mustergültig betrachteten ionisch-attischen Aussprache
des gr. v ihrem Alphabet den Buchstaben y hinzuzufügen (vgl. Weise
S. 33, Seelmann S. 159, Stolz § 73, Stolz-Schmalz § 4,1, Sommer
§ 8,4) — immerhin aber konnte es nicht ausbleiben, dass sie schon
früher manche Wörter aus dem Munde der Ionier aufnahmen, denn
ionische Kolonien gab es auch in Unteritalien, z. B. Rhegium, Thurii,
Siris, Yelia (Elea), Buxentum; namentlich aber wird man der ionischen
Kolonie Cumae in Campanien einen nicht geringen Einfluss zugestehen
müssen: Ihre kulturträgerische Bedeutung erhellt ja schon aus der
Tatsache, dass die Römer hier ihr Alphabet von den Griechen ent
lehnten. Welches nun der Lautwert des v bei den Ioniern gewesen
sei, steht leider nicht fest; die Annahme, dass es wie ü (frz. u) ge
sprochen worden sei, wird nicht allgemein zugegeben, vgl. unter 1.
Wir möchten daher versuchen, diese Frage ihrer Entscheidung näher
zu fuhren:
7. Von Bedeutung hierfür ist zunächst wohl jene merkwürdige
Wiedergabe der Lautgruppe xv durch lat. qui, für die Schuch. Vok. II,
275ff. und Förster, Cliges (Halle 1884) S. 344 (Anm. zu Y. 3025) Be
lege gesammelt haben wie vocrxvafiog = jusquiamus (vgl. auch §13,5),
xoXoxvvzrj = coloquinta (mit colloqui und quintus, wie Keller S. 60
meint, hat das Wort nicht den geringsten Zusammenhang), xwäyxy =
quinancia, xvcc^og — quiatus, xvQiaxri = quiriace, xoyyiXiov = con-
quilium (also auch yv, das den Römern ungefähr wie xv klang, wurde
durch qui dargestellt), vlt. *coquilia (§ 5,3), Zaxvv&o; — Zaquintus,
yXvxvQQila = liquiritia [durch liquor, liquidus, wie Schuch. Vok. I, 37,
Keller S. 63 und andere meinen, kann das Wort schon deshalb nicht
beeinflusst sein, weil es überhaupt gar nichts ,Flüssiges' bezeichnet;
auch der Abfall des anlautenden g beweist in diesem Punkte nichts,
denn er kommt auch sonst vor, vgl. lucuns = yXvxovg, Schuch. Vok. I,
37, ferner frz. Lezer aus Glyzerius und namentlich frz. loir, lerot,
7 " U O
liron, span, liron, ptg. liräo, leirao von (g)lis, (g)liris (vermutlich aus
flüchtiger Aussprache zu erklären); itja in Anlehnung an den gleich
lautenden Wortausgang statt -idia, das dem Lautwert des gr. -iQa genau
entsprach (vgl. § 4,3; beachte auch liquiridia CGL III, 538,18)]. Um
gekehrt steht auch gr. xv für lat. qui (vgl. Schuch. Vok. II, 273,
Förster a. a. 0., Eckinger S. 123) z. B. Tarquinius = Taqxvviog,
Quirinus = Kvoirog, Quintus = Kvvzog, Aquila = 'AxvXctg. Ferner
ist die Gleichung Xiyvazixov — levisticum heranzuziehen. Dass hier
nicht Volksetymologie nach levis, mit dem keinerlei sachlicher Zu
sammenhang besteht, anzunehmen sei, sahen wir schon § 12,2; das
der Wiedergabe von xv durch qui entsprechende g-ähnliche labiale
Element wird man auch bei diesem Worte nicht vermissen, denn das
lat. v war noch zur Zeit, da die ersten lateinischen Lehnwörter zu