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Die griechischen Wörter im Französischen
und — diese Gruppe darf man hinzurechnen — in einer Reihe von
lateinischen Wörtern, die irrtümlich mit irgendwelchen griechischen in
Zusammenhang gebracht wurden, statt der früheren Schreib- und Sprech
weise p, t, c die jüngere ph, th, ch aufkam, herrschte naturgemäss
eine Zeit lang starkes Schwanken zwischen beiden, da diese Neuerung
doch nur allmählich durchzudringen vermochte. Diese Unsicherheit
konnte, namentlich wegen der grossen Zahl der griechischen Ent
lehnungen, dann auch leicht echt lateinische Wörter ergreifen, wobei
durchaus nicht immer eine Gedankenverbindung mit entsprechenden
oder vermeintlich entsprechenden griechischen Wörtern bestanden haben
muss. Lediglich das Bestreben, auf keinen Fall plebejische Aussprache
zu verraten, hätte diese irrtümliche Ausdehnung der Aspiration auf
einheimische Wörter hervorgerufen. Catull nennt doch diese Gepflogen
heit in einem Atem mit einem offenbaren Sprachfehler*, indem er dar
über spottet 1 ). Sommers Berufung auf die Bemerkung des Servius
(zu Aen. I, 169), dass anchora (= äyavqa) mit Aspirierung gesprochen
worden sei, kann den Glauben an die Lautgesetzlichkeit dieses Vor
gangs im Lateinischen schwerlich festigen, denn sie beweist für die
Aussprache der klassischen Zeit nichts, weil Servius’ Vergilkommentar
erst aus dem 5. Jahrh. n. Chr. stammt. Übrigens ist auch nicht
selten die Aspirierung des r nach dem Muster griechischer Lehnwörter
in anderen Wörtern eingeführt worden, vgl. § 5, 1.
5. Von einer Rekonstruktion der griechischen Tenues Aspiratae
als ph, th, ch, wie die lateinische Schriftsprache sie vornahm, wusste
das Volkslatein nichts; es blieb nach wie vor bei dem primitiven Er
satz durch die einfachen tonlosen Verschlusslaute. Wir finden daher
in der App. Pr. Ausspracheverbesserungen wie die folgenden: App. Pr.
1 ,Porphireticum marmor non purpureticum marmuU, 23 ,cithara non
citera 4 , 66 ,cochlea non coclia 1 . Charakteristisch ist, dass häufig auch
in der Form mit der verbesserten Aussprache die Aspirierung nicht
bezeichnet wird; so heisst es 67 ,cocleare non cocliarium 4 , 78 ,calatus
non galatus‘, 119 ,clamis non clamus 4 , 191 ,tymum non tumum 4 ; hierin
liegt der beste Beweis, dass die Aussprache mit Aspiration für den
Schreiber etwas Künstliches war, das seinem eigenen Sprachgebrauch
zuwiderlief (vgl. auch Ullmann, S. 220). Zahlreich sind ferner die
Beispiele aus den romanischen Sprachen, die erkennen lassen, dass
gr. (f, 3, x dem römischen Volke im wesentlichen wie blosse Tenues
1) Carm. LXXXIV, 1—4:
Chorainoda dicebat, si quando commoda vellet
Dicere, et insidias Arrius hinsidias,
Et tum mirifice sperabat se esse locntum,
Cum quantum poterat dixerat hinsidias.