Full text: Die griechischen Wörter im Französischen

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Die griechischen Wörter im Französischen 
ein Mittel, zu erkennen, ob die betreffenden Wörter vom Griechischen 
auf dem Wege direkter mündlicher Entlehnung ins Yulgärlateinisehe 
gelangt sind oder ob sie die lateinische Schriftsprache vermittelt hat. 
Seltsamerweise bezeugen zuweilen die romanischen Formen eines und 
desselben Wortes, dass beiderlei Arten der Übertragung stattgefunden 
haben; Beispiele: ital. butirro, sard. butiru = schriftlat. butyrum, da 
gegen afr. burre, prov. buire = vlt. *but(u)rum (ßovtvqov)-, span, jenabe 
= schriftlat. sinapi, aber ital. senape, frz. sanve, prov. senebe, serbe 
= vlt. *senape; ja, dies ist sogar bei verschiedenen Mundarten einer 
und derselben Sprache zu beobachten: Neben senape gibt es in Italien 
neap. senape, lecc. sanäpu, oberital. senavra (vgl. d’Ovidio, Z. VIII, 
95, Anm. 7), neben sanve in Frankreich dialektisches sene, sne, sney’, 
sinef u. s. w. (Thomas, R. XXXI, 3). 
Einzelheiten: Schriftlat. ancöra = ayxvgcc erklärt sich gewiss 
nicht mit Stolz § 88 durch die urlateinische Anfangsbetonung, sondern 
ist zu vlt. *senape und dgl. Wörtern zu stellen; es ist zweifellos ein 
sehr altes Lehnwort aus der Zeit, als das Latein das quantitierende 
Prinzip in der Metrik noch nicht angenommen hatte, vgl. auch § 14,3. 
In vlt. *müröna (ital. morena, afr. moreine, span, morena, ptg. moreia) 
= [ivQcuva stimmt die Betonung nur scheinbar zu der des schriftlat. 
mürena (dies im span, murena, frz. murene erhalten), denn die von 
der schriftlateinischen abweichende Wiedergabe von gr. v durch lat. ü 
(hierüber § 14, 3) zeigt, dass vlt. *mürena nicht durch Vermittlung 
der Schriftsprache, sondern auf mündlichem Wege entlehnt ist; 
offenbar ist *mürena zu den Wörtern auf -ena (avena, arena, catöna 
etc.) geschlagen worden (Uber cu = lat. e § 17,1). Ähnliches gilt von 
schriftlat. ballaena = cpdXXcuva *), welches nach der Vertretung von 
(p durch b zu urteilen (vgl. § 1,7) nicht auf literarischem Wege ent 
lehnt sein kann, da tp sich dann als ph darstellen würde. Trotz der 
vulgären Gestalt auch der schriftsprachlichen Form ist die griechische 
Betonung nicht bewahrt geblieben (etwa *bällena, *bällina entsprechend 
äncöra). Auch hier wird Angleichung an die Wörter auf -ena vor 
liegen; ballena ist in Glossen mehrfach belegt (Götz, Thes. Gl. s. v. 
balaena), auch dem Romanischen liegt bal(l)ena zugrunde (vgl. auch 
§ 8,2 A), während die in der Schriftsprache übliche Form ballaena 
wohl eine Rekonstruktion nach dem Griechischen darstellt 1 2 ). Besondere 
Fälle sind ferner: vlt. *bombacum (ital. baco, rum. bumbac) = *ßo/i- 
1) Dies nach Osthoff S. 328 die richtigen Schreibweisen. 
2) Dem Einwande, dass die Römer bei einer solchen Rekonstruktion wahr 
scheinlich auch das <p durch ph ersetzt haben würden (wie in Phryges für 
altlat. Bruges = r I>ovyss), kann man durch den Hinweis auf die Form corytus = 
ycoQvid; (vgl. § 2,4) begegnen, deren y zeigt, dass man sie als griechische Ent-
	        
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