Theodor Claufsen
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(eyxavffTov) 1 ) u. s. w., andererseits fordert frz. anoi vlt. *anetum (ävr\-
&ov), afr. coutnin vlt. cuminum {xv(üvov), afr. chameil vlt. camelum
(xü/.trjXog), frz. anis vlt. anisum [ävlcov) ital. cammino vlt. cami-
num (xocfilvoi;) u. s. w. Woher diese Verschiedenheit? Meyer-Lübkes
Grundgesetz (vgl. S. 40), dass in volkstümlichen Wörtern der griechi
sche Akzent fest bleibe, reicht zur Erklärung nicht aus, denn auch
vlt. *anetum, cuminum u. s. w. waren, wie die Lautgestalt der ent
sprechenden romanischen Formen zeigt, ohne Zweifel volkstümlich.
Dies hat zwar Thomas, ß. XXXI, lff. richtig erkannt, eine andere
Erklärung hat er aber nicht gegeben; seine Bemerkung (S. 2): „Le
plus souvent, en effet, ils conservent ä l’accent tonique sa place qu’il
oceupe en grec, mais il arrive parfois que l’accent glisse sur la penul-
tiöme“ ist lediglich eine Feststellung der Tatsache. Ebensowenig hat
Gröber, ALL V, 469 die vom schriftlat. sinäpi abweichende Betonung des
vlt. *senape zu erläutern vermocht, wobei er übrigens wenigstens an
andere parallel gehende Beispiele wie die oben genannten hätte er
innern können. Diez, Gr. S. 395 meint, dass im allgemeinen die Akzen
tuierung griechischer Wörter im Latein von der lateinischen Quantität
abhängig sei, dass jedoch in einigen Wörtern das regierende Prinzip
der lateinischen Prosodie verworfen und die griechische Betonung be
folgt werde; die letztere Erscheinung, fährt er fort, könne keine zu
fällige Verirrung sein, denn dafür sei die Zahl der Beispiele zu gross.
Wenn er dann aber als Grund „mittelgriechischen Einfluss“ vermutet,
so ist das ohne Frage meist nicht zutreffend; dagegen spricht das
uralte Lehnwort lat. ancöra = ccyxvqa, das die gleiche Behandlung
erfahren hat. Hätte Diez gesagt: „griechischer Einfluss“, so würde er
das Richtige getroffen haben; die griechische Betonung wurde in Wörtern
wie vlt. *senape, *sölinum, *ac6nitum u. s. w. bewahrt aus dem ein
fachen Grunde, weil diese vom römischen Volke den Griechen in der
mündlichen Unterhaltung abgelauscht wurden; die Römer sprachen
nach, was sie hörten und wie sie es hörten, und die Quantität der griechi
schen Vokale war ihnen dabei gänzlich gleichgültig. Dagegen weisen
vulgärlateinische Wörter wie *anetum, cuminum, camelum u. s. w. die
im Schriftlatein übliche, von der griechischen Quantität abhängige
Akzentuierung auf, ohne dass aber an die Wirksamkeit des gleichen
Prinzips in der lateinischen Volkssprache gedacht werden müsste; viel
mehr hat das Volk derartige Wörter aus der Sprache der Gebildeten
übernommen und die hier gebräuchliche Betonung beibehalten, ohne
sich des Grundes einer solchen bewusst zu sein und ohne danach zu
fragen. Wir haben also in der vulgärlateinischen Akzentuierung griechi
scher Proparoxytona mit langem Vokal oder Diphthong der Pänultima
1) Vgl. die ähnliche Kürzung von xaraoraaig zu lat. catasta (S. 32).
Claufsen, Disaert. .