Theodor Claufsen
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wurden, wie dies ja durch ihren Auslaut nahe gelegt wurde, meist den
Femininen der 1. Deklination gleichgestellt, und zwar im Schriftlateini
schen wie im Vulgärlateinischen (vgl. Neue-Wagener, I, 501, Koff-
* mane S. 36, Appel, De genere neutro intereunte in Lingua Latina (Er
langen 1883) S. 66, Meyer, Ntr. S. 93f., M.-L., Gr. II § 29, M.-L.,
Einf. S. 150): wenn das classische Latein daneben solche Wörter
auch als Neutra brauchte, so war natürlich die Kenntnis des Griechi
schen massgebend; in der lateinischen Volkssprache galten sie aus
schliesslich als Feminina, z. B. xv/.iu vlt. cima = ital. prov. span,
ptg. cima, frz. cime, aüy/.ia vlt. *sauma, *salma = ital. soma, salma,
prov. sauma, frz. somme, altspan, soma, neuspan, salma, jalma u. s. w.
Wörter wie frz. chreme,,Salböl' (ypTcriia) und rhume ,Katarrh' (osüo«), die
männliches Geschlecht haben, sind unvolkstümlich, wie übrigens auch
ihre Bedeutung und die etymologische Schreibweise mit ch bezw. rh
zu erkennen gibt.
Geringe Veränderungen des Auslauts hat die Latinisierung griechi
scher Wörter in folgenden Fällen hervorgerufen: Wörter auf Konsonant
-f- pog mussten in echt lateinischer Gestaltung selbstverständlich auf
Konsonant -j- er auslauten; so wurde ’AK'&vdgog lat. Alexander,
ahxßuoTQoi; lat. alabaster (neben uXüßuarpov lat. alabastrum), ovaygog
lat. onager, yoyygog lat. conger, gonger u. s. w. Wo sich Durchbre
chungen dieses Prinzips finden, handelt es sich entweder um bewusste
Nachahmung des Griechischen wie in lat. cylindrus = xvXixöpog, oder
um jene vulgärlateinische Gleichstellung der Maskulina der zweiten
Deklination auf -er mit denen auf -us, die unter anderem auch durch
das ,teter non tetrus' ,aper non aprus' der App. Pr. 138 und 139 be
zeugt ist; so ist wohl die von Charis. 24,8 und Priscian. 6,33 empfohlene
Nominativform congrus zu beurteilen (Georges, LWF., s. v. conger).
Leicht zu begreifen ist auch, warum ngeoßvTigog lat. presbyter, presbiter
geworden ist: Nach dem -er, das als Wortausgang fungieren konnte,
schien eine weitere Endung -us überflüssig: auch boten Wörter wie
arbiter, armiger u. dgl. ein Vorbild.
Die griechischen Wörter auf -wv warfen im Lateinischen, soweit
sie volkstümlich waren, das v ab 1 ): LW wurde leo, dgaxoav draco,
aprartemo, und die Flexion erfolgte dann nach lateinischer Weise:
leönis, dracönis, artemönis statt Xsovtoc;, öpuxovxoq, apTtfiovog (Gäbel-
Weise S. 364, Weise S. 44, Stolz § 5); entsprechend lauten die Wörter
im Vlt. leöne (ital. lione, frz. lion u. s. w.), dracöne (ital. dragone frz.
dragon u. s. w.), artemöne (ital. artimone frz. artimon); da/fioov, -ovog
schwankt zwischen daemönis und daemönis; die letztere Form ist
natürlich uuvolkstümlich, wie das dem altfranzösischen Kirchenwort
* 1) Umgekehrt fügten die Griechen lateinischen Wörtern auf -o ein v an,
z. B. ’Povßlxcov, -ojvog — Bubico, Kixepcov, -covos — Cicero.