Theodor Claufsen
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Zu erwägen wäre hier noch, ob die griechischen Kolonien in Slid-
gallien, Massilia (um 600 v. Chr. von Phokäern gegründet), Arelate
u. s. w. irgendwelchen Einfluss auf den Wortschatz des Französischen
in Bezug auf griechische Bestandteile geübt haben. Etwaige aus dem
Griechischen direkt ins Keltische übergetretene und von dort ins Fran
zösische gelangte Wörter sind uns nicht bekannt. Es wird sich wohl
verhalten, wie Diez Gr. S. 46 meint: „Was durch die Massilier etwa
dem Gallischen zugeführt worden, ging nachher mit dieser Sprache
zugleich unter.“ Dass der Vorgang stattgefunden habe, wäre sonst
durchaus nicht undenkbar, da die Einflusssphäre des Sitzes hellenischer
Kultur im Keltenlande sehr weit gereicht hat: Wenn die Gallier, wie
Schriftsteller des Altertums uns berichten, griechische Schriftzeichen
verwandten und griechische Münzen nachprägten, so wird hierin sicher
die Einwirkung der griechischen Kolonien in Südgallien zu erblicken
sein. Ebensowenig Positives wie über eine von Massilia u. s. w. aus
gehende Bereicherung keltischer Sprache durch griechische Bestandteile
lässt sich Uber den gleichen Vorgang bezüglich der gallolateinischen
oder galloromanischen Sprache behaupten. Berger spricht zwar S. 35
(vgl. auch ebenda S. 22) von „einigen wenigen, wahrscheinlich aus
dem mündlichen Verkehr mit den Griechen von Massilia und Arelate
stammenden und rasch volkstümlich gewordenen Wörtern“; ich weiss
nicht, ob Berger bestimmte Wörter im Auge hat — der ganze Passus klingt
etwas geheimnisvoll — jedenfalls wüsste ich kein französisches Wort
zu nennen, für das mit einiger Sicherheit diese Herkunft anzunehmen
wäre. Eher wird man Suchier, Grob. Grdr. I, 663 glauben, dass ein
zelne provenzalische Wörter, die auf anderen romanischen Sprach
gebieten zu fehlen scheinen, wie escai = trxuioi; oder gofon von
yo/xcfog aus dem südgallischen Griechisch herzuleiten sind; doch ist
selbst das nicht unbedingt notwendig.
Bevor wir nun an unsere eigentliche Aufgabe herantreten, haben
wir noch eine Frage zu erörtern: Die meisten griechischen Wörter
sind, wie schon erwähnt worden ist, auf dem Wege über das Latein
ins Komanische gelangt; wir haben es also im Grunde mit lateini
schen oder doch lateinisch gewordenen Wörtern zu tun, und so
könnte es nach Bergers Bemerkung (S. 22), dass diese im Zusammen
hang mit den übrigen lateinischen Erb- bezw. Lehnwörtern zu be
handeln seien, scheinen, als hätten sie nicht das Recht, eine besondere
Gruppe zu beanspruchen. Rein äusserlich genommen trifft Bergers
Ansicht gewiss zu: Da es eigentlich lateinische Wörter sind, so wären
sie mit diesen in eine Reihe zu stellen. Indess verleugnet sich der in
letzter Linie griechische Ursprung der Wörter in zahlreichen Fällen
nicht, sondern tritt auch noch in den romanischen Formen zu Tage:
Sehr oft sind Spuren griechischer Lautwerte erhalten oder die griechi-