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Die griechischen Wörter im Französischen
griechischen Osten in den lateinischen Westen, alles dies wirkte dahin,
dass auch das Volkslatein griechische Elemente in grosser Zahl aufnahm.
Direkte Beweise dafür haben wir in lateinischen Schriftstellern: Petronius’
Cena Trimalchionis, an die Ktg. Handb. S. 61 erinnert, zeigt, in wie hohem
Grade die vulgäre Sprache mit griechischen Wörtern durchsetzt war; auch
Plautus, der Dichter, der besonders gern aus dem lebendigen Strome
der Volkssprache schöpft, sowie Terenz lassen den Einfluss des Griechi
schen erkennen. Wie geläufig selbst dem gemeinen Manne schon zur
Zeit Hannibals die griechische Sprache gewesen ist, ist insbesondere
aus den plautinischen Lustspielen ersichtlich: Neben zahlreichen griechi
schen Wörtern finden sich auch griechische Redensarten eingemischt
und, was noch mehr heissen will, griechische Wortwitze. Wichtiger
aber als diese Zeugnisse ist die Auskunft, die uns die romanischen
Sprachen zu geben vermögen; hier haben wir noch die letzten Wellen
kreise der grossen sprachlichen Bewegung, die griechische Wörter ins
Vulgärlateinische einführte, vor Augen. Auch in den Ländern germani
scher Zunge sind Reste der griechischen Elemente des Volkslateins
erhalten, weniger im Ost- und Nordgermanischen, um so mehr im West
germanischen, besondersim Althochdeutschen und Altenglischen. Schliess
lich ist auch eine nicht unbeträchtliche Zahl von griechischen Wörtern
durch lateinische Vermittlung in die keltischen Sprachen übergegangen.
Die Fundgrube, welche das Germanische und Keltische für unsere
Kenntnis des Volkslateins im nordwestlichen Europa, mittelbar also
auch für das Französische bildet, ist bisher lange nicht genügend ausge
beutet worden; wir werden daher öfters germanische und keltische
Wortformen, namentlich die ersteren, in den Kreis der Betrachtung
einbeziehen 1 ). Doch im allgemeinen haben die romanischen Sprachen
als die nächstliegenden den bestbegründeten Anspruch auf Berück
sichtigung; sie sind unsere wichtigsten Führer in der Beurteilung griechi
scher Lehnwörter des Vulgärlateinischen. Haben die romanischen Fort
setzungen griechischer Wörter Erbwortform 1 2 ), d. h. haben sie an
allen lautlichen Veränderungen, denen sie bei der Entwicklung der
betreffenden romanischen Sprachen aus dem Latein ausgesetzt sein
1) An dieser Stelle mag noch die Bedeutung des Mittel- und Neuenglischen
für das Französische hervorgehoben werden. Manche verloren gegangene oder
von den Wörterbüchern des Altfranzösischen nicht belegte Form lässt sich, wie
wir noch sehen werden, aus dem Englischen rekonstruieren.
2) Diesen Gesichtspunkt bat Weise, der im Index seines Werkes die roma
nischen Formen griechischer Wörter zum Beweise ihrer Volkstümlichkeit im
Latein heranzieht, nicht beachtet, woraus ihm nach dem damaligen Stande der
romanischen Sprachwissenschaft kein grosser Vorwurf gemacht werden kann.
Das blosse Vorkommen griechischer Wörter im Romanischen bezeugt noch
nicht, wie Weise S. 7 meint, dass man es „mit wirklich eingebürgerten“ Wörtern
zu tun habe.