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Die griechischen Wörter im Französischen
seiner Vorgänger zu erweitern und zu vertiefen; beispielsweise heisst
es: ,Eglise, Ecclesia, hxxXuoia, entre les Chrestiens, se prend speciale-
ment pour lenr assemblee ou le nombre universel d’eux, encores qu’ils
soyent espars. Mais le vulgaire a aussi appele Eglises les temples oü
on s’assembloit. 1 Klingt das nicht ganz modern und könnte es nicht —
cum grano salis verstanden — noch heute in einem etymologischen
Wörterbuch stehen? St. hat auch ein Verzeichnis der griechisch-französi
schen Wörter nach begrifflich zusammengehörigen Gruppen zu geben ver
sucht; so unvollkommen dies ausgefallen ist, er hat doch erkannt, dass Fach
ausdrücke der medizinischen Wissenschaft, ferner Pflanzennamen und
die Terminologie des Christentums wesentliche Bestandteile bilden.
Ja, der gelehrte Humanist scheint sogar den Unterschied, den wir
heute zwischen Wörtern volkstümlichen und gelehrten bezw. halbge
lehrten Gepräges zu machen pflegen, wenn auch nicht klar durchschaut,
so doch geahnt zu haben, denn er scheidet die Fälle, in denen franzö
sischen Wörter die Lautgestalt und Bedeutung der zugrunde liegenden
griechischen festgehalten haben, von anderen, in denen die Abweichung
beträchtlicher ist, indem er in dieser Gruppe das griechische und
französische Wort durch ,de‘ verbindet, in jener beide unvermittelt
nebeneinander stellt. Schliesslich hat er sich auch mit der Frage be
fasst, welche vermittelnde Bolle das Latein bei der Übertragung griechi
scher Wörter ins Französische gespielt habe. Doch ist es ihm nicht
gelungen, hierin zu scharf umrissenen Vorstellungen vorzudringen:
Zwar gibt er zu, dass einige griechische Wörter im Französischen
in latinisierter Gestalt vorlägen; dass die Mehrzahl auf diesem Wege
eingedrungen sei, scheint ihm aber schon mit Rücksicht darauf, dass
solche Wörter nicht als lateinisch zu belegen seien, zweifelhaft. In
diesen Anschauungen war St. noch durchaus ein Kind seiner Zeit.
Wieviel indess in seinem Werke vom heutigen Standpunkt der Wissen
schaft aus als falsch und unbrauchbar gelten muss, so wird doch aus
unseren Erörterungen hervorgegangen sein, welcher Art dessen „An
fechtbarkeit“ ist, und man wird keinen Anstand nehmen, auch den ,Traicte
de la conformite du langage frangois avec le grec‘ als einen wesent
lichen Beitrag zur Erkenntnis des wahren Sachverhaltes anzusehen.
Allerdings liegt seine Stärke nicht im positiven Aufbau, sondern mehr
im behutsamen Suchen nach dem richtigen Wege, der zum Ziele führen
konnte. Perions Meinung, dass die französische Sprache griechischer
Herkunft sei, ist seitdem als irrig aufgegeben worden, und nur die
geistige Verschrobenheit eines wissenschaftlichen Dilettanten konnte
(gegen Ende des 19. Jahrhunderts!) den Versuch unternehmen, diese
längst zu den Akten gelegte Hypothese wieder an das Licht zu ziehen 1 ).
1) Espagnolle, L’Origine du Frangais, Paris 1886—88, 2 Bde. Vgl. auch
Ktg., Handb. S. 78, Anm.