Theodor Claufsen
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ponent u zum Spiranten, und zwar zum stimmhaften Spiranten vor
stimmhaften Konsonanten, zum stimmlosen Spiranten vor stimmlosen
Konsonanten. Dieser Übergang scheint schon vor Chr. Geb. im ägyp
tischen Griechisch aufgekommen zu sein (vgl. Brgm. a. a. 0., Blass
5. 79 ff., Meyer § 121), wird aber gegen Ende des 3. Jahrh. im eigent
lichen Griechenland noch nicht vorherrschend gewesen sein. Der
Meinung von Braune, Got. Gramm. § 39, dass got. aw in Pawlus =
Jlav^oi, Daweid = Javtö vielleicht schon die neugriechische Aus
sprache des av wiedergebe, steht die von Meyer § 121 entgegen. Mit
dem gr. av der älteren Zeit war das lat. au identisch 1 ); beide fallen
daher in der Entwicklung des Romanischen zusammen. Beispiele:
kvqu lat. aura = afr. ore, navat; lat. pausa = ital. posa, afr. pose,
{hjoavQÖs schriftlat. thesaurus, vlt. *t(r)esaurus = ital. tesoro, prov.
tesaur-s, afr. tresor, altspan, tresoro, ptg. thesouro; einem gr. ^cpap&av^a
(aus (fiävTurjtxa und dem gleichbedeutenden davjict verschmolzen) ent
spricht wohl vlt. *fantauma = prov. fantauma, frz. fantöme 1 2 * ). Über
gr. xavfia = ital. span. ptg. calma, frz. calme wird im zweiten Teil
gehandelt werden. Für die spät- und neugriechische Aussprache des
gx\ av scheint das Französische keine Beispiele zu bieten; aus dem Italieni
schen wäre zu nennen dialektisches Pavolo, Pägolo (vgl. uvula = ital.
ugola), Paolo (vgl. altital. paraola neben paravola) neben venez. Polo
(Tlavlo?), Formen, die d’Ovidio Grob. Grdr. I, 525 nicht recht zu er
klären wusste, ferner wohl ital. cavolo (xavlo;) und veraltetes ital.
navolo (modern naulo, nolo) = pavXop, wenn hier nicht etwa eine
Gedankenverbindung mit nave ,Schiff 4 bestand.
3. Die Geschichte des gr. et ist kurz folgende (vgl. Blass S. 53 ff.,
Meyer § 115, Klihner-Blass § 2,G, Hirt § 81,2 und § 158, Brgm. Grdr. I
§ 68 und § 205, Gr. Gr. § 26, K. vgl. Gr. § 27 und § 136): Der ur
sprüngliche Lautwert war e + i, so noch im Attischen um 600; darauf
wandelte es sich zu geschlossenem e, im Korinthischen schon im
6. Jalirb. v. Chr., in anderen Mundarten wohl etwas später, jedenfalls
war um 400 «t im Attischen 5; dieses wurde antekonsonantisch und
auslautend im 3. Jahrh. v. Chr. zu i (das Böotische hatte diesen End
punkt der Entwicklung schon im 5. Jahrh. erreicht), vor o- und a-Yokalen
hielt sich die Stufe e, wenn nicht ein i vorausging, bis in den Anfang
1) Doch hat Th. Birt in seiner Schrift .Sprach man avrum oder aurum? 1 ,
Frankfurt a. M. 1897 (Rhein. Mus. N.F. LII, Ergänzungsheft), auf die Prof.
Körting mich aufmerksam machte, dem lat. au den Lautwert av zuzuschreiben
versucht. Vgl- die diese Ansicht ablehnenden Rezensionen von Parodi, Studi
di filologia romanza 1898, S. 149 ff., Meyer-Lübke, Zeitsclir. f. östr. Gymnasien
1898, S. 227ff., Weise, Berl. Philol. Wochenschrift 1898, S. 758 ff.
2) Auf diese Erklärung der beiden romanischen Formen sind Prof. Holt
hausen und ich unabhängig von einander gekommen.