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Die griechischen Wörter im Französischen
sei», wobei denn I natürlich zu vlt. e wurde. Es ist nicht immer
leicht zu entscheiden, zu welcher Gruppe vlt. Wörter mit e = v hin
zuzurechnen sind, da Kriterien wie die Konsonantengemination bei
[ivxijs, die echt volkstümliche Nichtbeachtung der griechischen Vokal
quantität bei yqvX^og und avQtyya, der Vokaleinschub bei xvwog, der
Ausfall des er in TTQsirßvtsQog u. dgl., die gegen Übermittlung solcher
Wörter durch die lateinische Literatursprache und für Übertragung
durch den mündlichen Verkehr zwischen Griechen und Römern zeugen,
sich nicht überall darbieten. Gr. v erscheint natürlich in Wörtern, die
aus der lateinischen Literatursprache in die Volkssprache eingedrungen
sind, als vlt. I, z. B. in dem sich durch die Betonung als schriftsprach
lich verratenden vlt. -'butlrum (ßovrvQov) — ital. butirro, sard. butiru
(S. 50). Vielleicht Hessen sich auch vlt. *girus (yvQog) — ital. span,
ptg. giro, prov. gir-s (frz. girer) und vlt. *cima (xv/ia) = ital. prov.
span. ptg. cima, frz. cime (allerdings wäre die eingetretene Bedeutungs
erweiterung für ein Buch wort sehr auffallend) auf die gleiche Weise
erklären, ohne dass man zu der höchst unwahrscheinlichen Deutung
des i durch Einfluss des vorhergehenden Palatals zu greifen brauchte,
die G. Paris, Miscell. Linguist, in onore di Ascoli, Anm. 90 zu S. 51
vorgeschlagen hat — eine solche Wirkung der Palatalen wäre im
Latein geradezu unerhört — wenn nicht Wörter wie lat. gibbus (xvrpog,
vgl. § 1,7) = ital. gibbo, prov. gib(b)a, span, giba, ptg. gibba (neben
vlt. *gebbus = rum. gheb, ghebä, ptg. geba) und ital. scilinga = Akk.
(rvQiyya leise Zweifel erwecken könnten. Beim ersteren schliesst die
Lautgestalt die Möglichkeit aus, dass das i auf das Prinzip der latei
nischen Literatursprache, die griechische Quantität zu beachten, zurück
gehe, denn die Römer haben es schwerlich als griechisches Lehnwort
erkannt; beim zweiten ist das 1 bemerkenswert, insofern es vielleicht
aus dem § 5,2 besprochenen vulgärgriechischen Wandel von 5 zu 1
zu erklären ist, also ein Beweis gegen Entlehnung durchs Schriftlatein
wäre; die lautregelrechte Entwicklung des Anlauts (vgl. simia > ital.
scimia) gestattet jedenfalls kaum, in dem i = v dessen neugriechischen
Lautwert zu sehen (vgl. unter 9). Doch kann es sich auch um blossen
Tausch der Liquiden handeln, zumal ja die Form sciringa vorhanden
ist. Aber das 1 von gibbus bedarf noch der Aufklärung, und auch
das von *cima ist wegen des oben hervorgehobenen Bedenkens nicht
ohne weiteres als der schriftlateinische Lautwert des v anzusehen.
8. Eine sehr merkwürdige Behandlung des v zeigt das aus dem
Sizilianischen entlehnte ital. acciuga (= ixrpvri). Die bislang unerklärte
lateinische Grundform ist nach M.-L. Gr. I § 17 S. 31 *apiua, *apiuva
(mit griechischer Betonung, vgl. S. 45). Vielleicht darf man darauf
aufmerksam machen, dass im Böotischen iov für ion.-att. v vorkommt
(Brgm. Gr. Gr. § 7, Meyer § 93). Freilich steht der Lautwert dieses