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dass v. Soden zwar nicht über die Herkunft der i/aZa-Recension sich
äussert, wohl aber es für wahrscheinlich hält, dass die lateinische
Übersetzung schon vor der Entstehung seiner drei grossen Recensionen
vorhanden gewesen ist und Einfluss auf deren Gestaltung bezw. der
einzelnen Typen und Hss. gewonnen hat (vgl. v. Soden I, 2, 1509 f.),
wenn dies auch wohl in grösserem Umfang erst für die späteren
Texte angenommen werden darf und wegen des Ansehens und der
Konstanz der JV-Recension auch da nur in geringem Umfang. Wegen
des Alters und der Originalität der gotischen Textmischung
bezw. ihrer Quelle ist sogar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, die
v. Soden für die lateinischen Texte zugesteht, dass sich in ihr Reste
und Lesarten aus dem zu rekonstruierenden Normaltext I-H-K
(vgl. S. 1359 lf.) oder dem Urtext hindurchgerettet haben. Diese
Möglichkeit ist aber eine verschwindend geringe, zumal die gotische
Übersetzung sich in so weitgehendem Masse von der IT-Rencension
bezw. einem K’-l-Mischtext abhängig erweist. Wir dürfen daher auf
keinen Fall uns verlocken lassen, über den Bereich der byzantinischen
Kirche und ihrer Texte hinauszugehen und zu dieser letzten Er-
kläruugsmöglichkeit nur dann unsere Zuflucht nehmen, wenn jede
andere Erklärung unmöglich ist. Auf jeden Fall müssen wir uns
hüten, allzuschnell der Ansicht von lateinischem Einfluss in der gotischen
Überlieferung zuzustimmen, zumal die von Kauffmann (Zeitschr. f. d.
Phil. 29,311) erwähnte Erklärung, dass die am häufigsten mit der gotischen
Version sich deckenden lateinischen Hss. letztlich auf dieselbe Quelle
zurückgehen dürften, an sich ein hohes Mass von Wahrscheinlichkeit
hat, aber bisher noch einer gründlichen Untersuchung entbehrt.
Andrerseits geht aus dieser irrigen Auffassung v. Sodens und anderer
die Notwendigkeit hervor, auch für die übrigen Fragmente des gotischen
N.T., soweit über dieselben durch Kauflmanns Arbeiten noch keine Klarheit
geschaffen ist, eine ähnliche Untersuchung anzustellen unter besonderer
Berücksichtigung gerade der Frage nach dem Verhältnis zum lateinischen
Text. Nur so können wir feststellen, ob alle uns erhaltenen Reste dieser
ältesten deutschen Bibel eine einheitliche Grösse darstellen und ob sie
eine einheitliche Entwicklung durchgemacht haben. Ich berufe mich
dazu auf Kauflmanns eigene Worte: „Es ist von vornherein durchaus
nicht zu erwarten, dass mit der Lösung, die wir für das Math.-Evang.
gefunden zu haben glauben, die Fragestellung für die übrigen Evan
gelien sich als überflüssig erweise.“ (vgl. Zeitschr. f. d. Phil. 31, 181).