Full text: Colley Cibber's Tragicomedy "Ximena or the Heroick Daughter" und ihr Verhältnis zu Corneilles "Cid"

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Bei Corneille zeigen die einzelnen Akte ungefähr gleiche 
Länge, während bei Cibber durch das Zusammenlegen von 
Akt IV und V der Vorlage dieser Riesenakt von 625 Versen — 
mit seinen 13 Scenen — entsteht. *) 
Weit schwerwiegender aber als dieser Mangel äußerer Eben 
mäßigkeit, wirkt das Fehlen innerer Harmonie im Aufbau des 
Cibber’schen Stückes. In jedem Drama haben wir eine steigende 
und eine fallende Handlung, deren Grenze gegeben ist durch den 
Höhepunkt der Handlung. Dieser Höhepunkt nun wird — die 
Ebenmäßigkeit des Aufbaues vorausgesetzt — etwa in die Mitte 
des Dramas, in einem 5aktigen also in die Mitte des III. Aktes 
zu liegen kommen. Dieser Forderung genügt der „Cid“ auch voll 
ständig: Der Höhepunkt der Handlung liegt in Akt III,3, wo 
Chimene erklärt, daß sie trotz der Tat Rodrigos noch zu ihm wie 
zu einem Gott aufblicke, aber dennoch keinen Augenblick zögere 
zu tun, was ihr die Pflicht gebiete, nämlich Rodrigo mit ihrer 
Blutrache zu verfolgen. Wenn im „Cid“ also der „Höhepunkt“ 
als Scheitel eines Dreiecks angesehen wird, dessen Basis durch 
den beginnenden Konflikt und die Katastrophe bestimmt wird, so 
darf wohl behauptet werden, daß die beiden Schenkel dieses 
Dreiecks, dargestellt durch die Linien der aufsteigenden, bezw 
absteigenden Handlung, gleich sind, wie eben von einem regel 
mäßig gebauten Drama nicht anders zu erwarten ist. 
Bei Cibber nun kann von dieser inneren Ebenmäßigkeit im 
Bau nicht mehr die Rede sein. Bei ihm liegt der Höhepunkt 
der im Verhältnis zur ganzen Handlung derselbe ist wie bei 
Corneille — in Akt IV, 3, so daß also die aufsteigende Handlung 
3 72 Akte in Anspruch nimmt, während die ganze absteigende 
Handlung in 17a Akte zusammengedrängt wird. Die Gründe hierfür 
sind bereits erörtert worden: Sie liegen in der Voranstellung 
eines Aktes und der dadurch bedingten Zusammenschweißung 
von Akt IV, V der Vorlage zu einem Akte. Cibber versucht nun 
sogar, den Lesern seiner Vorrede einzureden, daß er sich mit 
dieser letzteren Maßnahme noch ein besonderes Verdienst er 
worben habe, da die „Mängel der Vorlage dazu gedrängt hätten. 
*) Der ganze Umfang des „Cid“ beträgt 1845, der des Cibber‘schen 
Stückes 2145 Verse. Der Unterschied von 300 Versen zu Gunsten des 
letzteren wird erreicht durch die zugefügten 420 Verse des 1. Aktes unter 
gleichzeitiger Auslassung einiger Scenen („Cid“ 1,2 11,5 V,3).
	        
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